piwik no script img

Mexikos Zapatisten gnädig

■ Ex-Gouverneur von Chiapas kommt frei / Bald Gespräche?

Berlin/San Cristóbal de las Casas (taz/AFP) – Der Ex-Gouverneur des südmexikanischen Bundesstaates Chiapas, Absalón Castellanos, der seit dem 2. Januar von den Rebellen der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) festgehalten wird, soll heute freikommen. Als Regierungsemissär Manuel Camacho Solis dies am Montag bekanntgab, kündigte er gleichzeitig an, daß er am Donnerstag Ort und Datum für den Beginn von Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla mitteilen werde. Offenbar war die Freilassung Castellanos' eine der Vorbedingungen der Regierung für die Aufnahme direkter Gespräche mit der EZLN.

Absalón war von 1982 bis 1988 Gouverneur von Chiapas und zuvor Armeegeneral. Als solcher hat er sich an der Niederschlagung von Bauernaufständen in der politisch sensiblen Grenzprovinz zu Guatemala beteiligt. Nach seiner Festnahme durch die EZLN wurde er vor ein „Volksgericht“ gestellt; mit Datum vom 20. Januar hatte EZLN-Subcomandante Marcos ein schriftliches „Urteil“ veröffentlichen lassen. Die indianischen RichterInnen befanden Castellanos des Raubes, der Menschenrechtsverletzungen, der Vertreibung, der Entführung, der Korruption und des Mordes für schuldig und verurteilten ihn zu lebenslänglichem Zwangsaufenthalt in einem chiapanekischen Indianerdorf, wo er sich durch körperliche Arbeit seinen Unterhalt verdienen solle. Die Strafe wurde dann umgewandelt und der Ex-Gouverneur verurteilt, „bis zum Ende seiner Tage mit der Scham zu leben, von denjenigen Vergebung und Güte erfahren zu haben, die er so lange Zeit erniedrigt, verschleppt, vertrieben, beraubt und ermordet hat“.

So ist politisch begründet, was verhandlungstaktisch ein „Zeichen des guten Willens“ seitens der Rebellen ist, wie es der Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruiz, formulierte. Die Freilassung des Ex- Gouverneurs sei, so der Bischof, der letzte Schritt auf dem Wege zu Verhandlungen.

Die Erwartungen an diese Verhandlungen werden zusehends größer. Schon fordern auch in Chiapas tätige Nichtregierungsorganisationen, mit an den Sitzungstisch zu kommen. Auf einer Veranstaltung in Berlin sagte am vergangenen Freitag ein Vertreter solcher Organisationen, es gehe bei einer Lösung für Chiapas um die Zukunft der ganzen mexikanischen Gesellschaft und daher sei diese an den Verhandlungen zu beteiligen.

Unterdessen gehen die Auseinandersetzungen in Chiapas' Kleinstädten weiter. In der Ortschaft Copainala halten Mitglieder dreier Oppositionsparteien, die sich zu einer „Bürgerfront“ zusammengeschlossen haben, seit einer Woche das Rathaus besetzt und fordern die Absetzung des Bürgermeisters. Der gehört, wie alle anderen in der Region, der Staatspartei PRI an. Am Montag wurden die BesetzerInnen von bewaffneten PRI-Anhängern angegriffen – bei schweren Auseinandersetzungen wurden mindestens 40 Menschen verletzt. EZLN-KämpferInnen seien an diesen Aktionen nicht beteiligt gewesen, hieß es. pkt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen