: Mexikos Wahl beginnt mit blutigem Attentat
Kurz vor den mexikanischen Präsidentschaftswahlen wurden der Wahlkampfleiter der oppositionellen FDN und sein Assistent erschossen / Unterlagen zur Wahlbeobachtung verschwunden / Zum ersten Mal gibt es eine kräftige Opposition von links und rechts ■ Von unseren Korrespondenten
Mexiko (apia/taz) - In der Nacht zum Sonntag fielen der nationale Koordinator der Wahlkampagne der „Nationalen Demokratischen Front“ (FDN) Francisco Xavier Ovando und sein Assistent Roman Gil Heraldes einem Attentat zum Opfer. Der Wahlkampfleiter des Präsidentschaftskandidaten der FDN, Cuauhtemoc Cardenas, war nicht nur ein enger Freund und Mitarbeiter des populärsten Oppositionspolitikers in der sechzigjährigen Herrschaft der Regierungspartei PRI, sondern er kandidierte auch selbst für einen Abgeordnetensitz im neu zu wählenden mexikanischen Parlament.
Ovando sollte auch die Überwachung der Stimmenauszählung bei den Präsidentschafts- und Legislativwahlen von heute leiten. Die FDN rechnet mit massivem Wahlbetrug, um die Spitzenposition der PRI und ihres Kandidaten Salinas de Gortari nicht zu gefährden. Aus dem Auto, in dem Ovando und sein Assistent am Samstag nacht in der Hauptstadt erschossen aufgefunden wurden, fehlten alle wichtigen Dokumente: die genauen Pläne, die die FDN ausgearbeitet hatte, um den Wahlvorgang zu verifizieren, sowie die Listen mit Namen, Adressen und Telefonnummern von über 60.000 Wahlbeobachtern.
Der Doppelmord heizt das ohnehin schon gespannte innenpolitische Klima in Mexiko weiter an. Sowohl die rechte als auch die linke Opposition warnen vor dem massivsten Wahlbetrug in den letzten sechs Jahrzehnten. Die FDN hat in den wenigen Monaten ihres Bestehens die rechtsoppositionelle PAN vom zweiten Platz des politischen Spektrums verdrängt Meinungsumfragen geben Cardenas einen Stimmenanteil von 25 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen. Cuauhtemoc Cardenas erklärte am 4.Juli, bei der Ermordung seiner beiden Mitarbeiter handle es sich eindeutig um ein politisches Verbrechen und um den Versuch der Einschüchterung von Kräften, die nicht nur für saubere Wahlen kämpfen, sondern auch für mehr Demokratie im Land. Als Journalisten Cardenas fragten, ob er diesen Mord als Botschaft an sich selbst betrachte, antwortete er: „Es gibt immer einen ersten - und weitere können folgen.“
Lilia Rubio
Nach einem intensiven Wahlkampf ist die politische Szenerie Mexikos in Bewegung geraten. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten beteiligen sich authentische Oppositionsparteien mit real politischen Alternativen. Rechts von der PRI hat die „Partei der Nationalen Aktion“ (PAN) an Gewicht gewonnen. Ihr politisches Hauptziel ist die Abschaffung der staatlichen Kontrolle in Wirtschaft, Erziehung und Politik, und sie plädiert für eine stärkere Einflußnahme der Unternehmer und Kirche. Sie findet besonderen Anklang unter den Mittelschichten, die in Zeiten der Prosperität zu Wohlstand gekommen sind und nun unter der anhaltenden Krise um ihren Besitzstand fürchten. Zweifellos folgenreicher ist die neu entstandene oppositionelle Strömung links von der PRI mit dem Präsidentschaftskandidaten Cuauhtemoc Cardenas. Seine Kandidatur wird unterstützt von einer Koalition verschiedener Parteien und Gruppen bis hin zur traditionellen Linken.
Gunther Aschemann
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