"Messages" von Facebook in der Kritk: Der Posteingang läuft langsam voll
Die Revolution sei der neue "Messages"-Dienst von Facebook nicht. Stattdessen vermenge er Dinge, die nicht zusammengehören, erklären Kritiker.
Noch können nur wenige Menschen von sich behaupten, den neuen Facebook-Kommunikationsdienst "Messages" zu kennen: Einladungen gingen bis jetzt nur an Pressevertreter sowie einen relativ kleinen Kundenkreis. Trotzdem könnte der Hype kaum größer sein: Vom "Angriff auf Google" schreiben die Medien, vom "Killer für Yahoo und Co." oder von der "Neuerfindung der E-Mail". Die PR-Abteilungen haben gute Arbeit geleistet .
Wichtiger wäre es, das neue Alles-in-einem-Postfach nüchtern zu betrachten, wie es mittlerweile erste Kritiker tun. Das Projekt, das Firmenboss Mark Zuckerberg am vergangenen Montag vorstellte, hat bei genauem Hinsehen zahlreiche Haken.
Da wäre zunächst die Aussicht, dass Facebook künftig noch mehr Informationsmengen hortet. So sollen die bei "Messages" einlaufenden Botschaften, wenn man sie nicht spezifisch löscht, auf immer und ewig abrufbar sein. Das sieht man bei Facebook als wichtiges Feature an: Bei der Vorstellung des Dienstes erzählte ein Firmenmanager, wie er künftig alle von ihm jeweils mit seiner zukünftigen Frau ausgetauschten Nachrichten wieder zurückholen wolle.
Das Elefantengedächtnis könnte auch dazu führen, dass Nutzer mehr Informationen an Dritte preisgeben, als sie wollen: Gibt man bei "Messages" einen Kommunikationsstrang frei, haben beide Kommunikationspartner auch Zugriff auf ihr gemeinsames Archiv.
Auch scheint man bei Facebook nicht bedacht zu haben, was passiert, wenn die zahlreichen Computeranfänger, die das soziale Netzwerk mit Vorliebe nutzen, "Messages" schlicht nicht verstehen. So schön es auf den ersten Blick sein mag, E-Mail, SMS und Facebook-interne Textnachrichten in einer zentralen Übersicht zu sammeln, so unpraktisch könnte es im realen Leben werden.
Die Menschen trennen nämlich gerne im Gegensatz zu Facebooks Alles-in-einem-Ansatz ihre Kommunikationswege. Mit E-Mails werden Arbeitskollegen oder die Verwandschaft erreicht und per SMS tauscht man sich am liebsten mit Freunden oder dem oder der Liebsten aus. Facebook-Chats wiederum führt man vielleicht gar nicht, weil sie zu sehr von der Arbeit abhalten.
Wären alle diese Technologien kostenneutral, so könnte es egal sein. Doch SMS sind kostenpflichtig. Das dürfte in den USA für einige Verwunderung sorgen, wo das monatliche Textnachrichtenkontingent heruntergezählt wird, egal ob man eine SMS versendet oder empfängt. Zwar schickt Facebook über die dortige SMS-Zentrale Nachrichten von sich aus kostenlos auf Handys, doch kostet der Empfang den Nutzer eben etwas, weil damit das Guthaben an Frei-SMS schwindet.
Wie das in Deutschland gehandhabt werden wird, wo Dienstleister zumeist auch für ausgehende SMS etwas bekommen wollen, bleibt abzuwarten. Facebook wird hier aber wohl kaum aggressiv in Vorleistung treten. Ein berühmtes Beispiel für SMS-Probleme ist hier Twitter, wo man nach einiger Zeit die Funktion für bestimmte - zu teure - Länder einfach abdrehte.
Der Blogger Ray Sun, dessen "Messages"-Kritik im Netz weite Verbreitung fand, glaubt, Facebook fehle schlicht ein Chef, der auf die Produktgestaltung achtet. Das soziale Netzwerk versuche, ingenieurtechnische Probleme zu lösen, die die Menschen gar nicht hätten.
Ärger droht unterdessen auch durch die Tatsache, dass Facebook für seinen Kommunikationsdienst die Entscheidung traf, einen "@facebook.com"-Adressraum zu nutzen. Er war bislang allein Firmenmitarbeitern sowie der Übertragung administrativer Botschaften vorbehalten.
Kämen Online-Gauner auf die Idee, sich besonders hübsche "Messages"-Accounts zu sichern, um von dort eine Phishing-Welle zu starten, könnte sie authentisch wirken, warnt das Silicon-Valley-Klatschblog "Valleywag". Die "echten" Facebook-Mitarbeiter müssen auf die neue Adresse "fb.com" ausweichen. Bei den restlichen Nutzern dürfte es länger dauern.
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