Merkels muss EU-Krisenpläne überdenken: Die Rechnung geht nicht auf
Griechenlands Lage hat sich deutlich verschlechtert. Der hoch verschuldete Staat braucht noch mehr Hilfe, sonst droht im März die Pleite. Doch Berlin mauert.
BRÜSSEL taz | Die Bundesregierung möchte beim EU-Gipfel am Montag in Brüssel kein Wort über Griechenland verlieren. Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Doch wenn nicht alles täuscht, wird Kanzlerin Angela Merkel in den sauren Apfel beißen müssen: Denn die Lage in Athen hat sich dramatisch verschlechtert, Merkels Pläne für das akut von der Pleite bedrohte Land gehen nicht mehr auf.
Als Erster ließ EU-Währungskommissar Olli Rehn die Katze aus dem Sack: Die Euroländer müssten wohl noch einmal für Griechenland in die Tasche greifen, denn es habe sich ein neues Milliardenloch aufgetan, sagte Rehn beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Danach wagte sich auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker aus der Deckung: Die Eurostaaten sollten auf einen Teil ihrer Forderungen an Athen verzichten.
Der Hintergrund: Bisher war geplant, dass die Banken und andere private Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegen Griechenland verzichten. Diesen Schuldenschnitt hatte Merkel beim EU-Gipfel im Oktober persönlich ausgehandelt. Damals hoffte die Kanzlerin, dies werde reichen, um das Defizit bis 2020 auf 120 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung zurückzuführen - einen Wert, der als gerade noch verträglich gilt.
Doch inzwischen haben sich die Zahlen dramatisch verschlechtert. Selbst wenn die Banken wie geplant auf rund 100 Milliarden Euro verzichten, wird der Schuldenstand 2020 immer noch bei 135 Prozent liegen - denn die Schulden sind in der Zwischenzeit weiter gestiegen. Wegen des dramatischen Wirtschaftseinbruchs - eine Folge der von Merkel verordneten massiven Sparpläne, aber auch schleppender Reformen - gehen sie derzeit auf 200 Prozent zu, genaue Zahlen gibt es nicht.
Vorläufiger Banken-Deal zurückgewiesen
Zudem ist der geplante Schuldenschnitt nicht einmal unter Dach und Fach. Einen vorläufigen Deal mit den Banken haben die EU-Finanzminister am Dienstag zurückgewiesen; die Regierung in Athen muss nachsitzen, um bessere Konditionen herauszuschlagen. Doch die Geldinstitute sträuben sich; wenn sie schon bluten müssen, dann soll auch die Europäische Zentralbank (EZB) auf einen Teil ihrer Forderungen gegen Griechenland verzichten, heißt es.
Auch das lehnt Berlin ab. "Ich kann keinen Sinn darin erkennen, dass jede Woche mehr Geld ins Schaufenster gelegt werden soll", sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitag in Brüssel. Die Experten von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und EZB prüfen derzeit in Athen, ob Griechenland die im Gegenzug für Notkredite vereinbarten Spar- und Reformziele erreicht.
Nur wenn sie grünes Licht geben, kann Griechenland neue Milliardenhilfen aus Europa erhalten - und damit die bereits für März drohende Pleite verhindern. Nach einem Bericht der griechischen Zeitung Kathimerini hat die Troika bereits neue massive Schnitte gefordert.
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