Merkels Abschiedsbesuch in Frankreich: Das ungleiche Duo
Mit der Amtszeit der Bundeskanzlerin endet auch „Mercron“. Was bedeutet das für Emmanuel Macron und die Zukunft der EU?
G anz einfach war es nicht immer zwischen der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschefs. Das deutsch-französische Duo in seinen Inkarnationen Merkel/Chirac, Merkel/Sarkozy, Merkel/Hollande und schließlich Merkel/Macron wurde traditionell mit riesigen Erwartungen überfrachtet, während die Interessen der beiden Länder oft voneinander abwichen.
Aber bei ihrem Frankreich-Abschiedsbesuch im burgundischen Beaune kann Angela Merkel mit ihrem Gastgeber Emmanuel Macron auf einen riesigen Erfolg zurückblicken: Der 750 Milliarden schwere Corona-Wiederaufbaufonds, den „Mercron“ auf den Weg brachte. Der vielbeschworene deutsch-französische Motor – in der Krise sprang er dann doch mal an.
Genau diese treibende Kraft hatte oft gefehlt. Merkel hatte in den Jahren zuvor im Vergleich mit dem neuen Präsidenten die Bremsklotz-Rolle eingenommen. Ungeduldig wollte Macron große enthusiastische Projekte anschieben – und die Bundeskanzlerin? Schien das alles auszusitzen.
Macron muss während Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft ab Januar 2022 sehen, wie er mit der neuen Bundesregierung klarkommen wird. Wenn er den Vorsitz nutzen will, um der EU noch mal einen Schubs nach vorne zu geben, wird er sich vorsehen müssen: Konflikte mit Deutschland wird es genug geben, etwa um Sicherheits- und Verteidigungsfragen.
Auf die Bedenken kleinerer EU-Mitglieder hören
Einerseits ist Europa eine starke Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland zu wünschen – wenn sie dabei hilft, eine soziale und fortschrittliche Gemeinschaft voranzubringen und die Mitgliedsstaaten zu einen. Doch gerade für den Zusammenhalt innerhalb der EU muss das Duo Paris/Berlin auch eines sein, das sich selbst und seine Vorschläge nicht zum Maß aller Dinge erhebt.
Beide müssen starke Beziehungen zu den anderen Mitgliedern unterhalten, bei ihren Vorschlägen müssen auch die Bedenken kleinerer Mitglieder Gehör finden. Sonst droht das Scheitern, weil genau diese unwillens sein werden, die Initiativen des deutsch-französischen Duos zu unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung