Merkel und Steinbach: Ein Herz und eine Seele
Der Streit zwischen Kanzlerin und den Vertriebenenverbänden scheint besänftigt zu sein. Steinbach macht klar, dass ihr Verzicht auf den Ein Ortstermin.
BERLIN taz Der Bund der Vertriebenen (BdV) lud Dienstagabend zum Jahresempfang im Berliner Opernpalais ein und es herrschte Harmonie allerorten. Zwischen die Gastgeberin Erika Steinbach und ihren Hauptgast, die Bundeskanzlerin, sollte kein Blättchen Papier passen. So sah es die Regie der Veranstaltung vor und so geschah es. Das Heer der Medienvertreter wartete vergeblich auf die kleinste Unmutsbekundung seitens der zur Vollversammlung des BdV angereisten Vertriebenenvertreter. Nichts als freundlicher Beifall für Angela Merkel.
Das war keineswegs selbstverständlich. Als der Streit um den Sitz von Erika Steinbach im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, Vertreibung,Versöhnung" aufbrandete, schwieg die Bundeskanzlerin beharrlich, anstatt der BdV-Chefin angesichts der Attacken auf ihre Person beizustehen. Dieses Schweigen wurde von nicht wenigen Vertriebenenfunktionären als Kapitulation verstanden. Die mächtige Sudetendeutsche Landsmannschaft forderte, die BdV soll sich gänzlich aus der Stiftung zurückziehen, falls Steinbach ihr Sitz im Stiftungsrat verwehrt würde.
Was den Unmut besänftigte, war der originelle Einfall, das Problem mit dem Mittel der Vakanz zu vertagen. Steinbach verzichtete nicht, sie ließ den ihr zugedachten Sitz unbesetzt - vorläufig. Steinbach: "Wir behalten uns jederzeit vor, eine Wiederbenennung für den jetzt freien Stuhl vorzunehmen." Mit diesem Schachzug wahrte Steinbach den Anspruch der Vertriebenen auf ihr Besetzungsrecht und konnte sich gleichzeitig rühmen, die ihrer Meinung nach von der SPD errichtete Blockade beseitigt zu haben. Kein Wunder, dass am Mittwoch auf der Vollversammlung des BdV die entsprechende Resolution einstimmig angenommen wurde.
In ihrer Rede betonte Steinbach - auch angesichts mehrerer tausend kritischer Anfragen aus dem Vertriebenenmilieu -, dass Merkel von Anfang an das Projekt einer Vertriebenen-Gedenkstätte unterstützt habe. "Die Bundeskanzlerin", rief Steinbach aus, "sie steht an unserer Seite."
Die Bundeskanzlerin strich in ihrem Grußwort die Verdienste der Vertriebenen und Flüchtlinge in den Jahrzehnten nach 1945 heraus, erwähnte auch, welche Mühen und Widerstände auf dem Weg zur Integration zu bewältigen waren. Sie wandte sich dagegen, dass in der Öffentlichkeit beim Thema Vertriebene nach wie vor "Abwehrmechanismen kultiviert würden".
Kanzlerin Merkel stellte als Hauptaufgabe dar, den Prozess der Versöhnung mit den Opfern der deutschen Aggression voranzubringen. Aber: "Unrecht muss auch als Unrecht benannt werden." Das traf, wie der stürmische Beifall zeigte, die Seelenlage der anwesenden Vertriebenen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus