Merkel trifft Dalai Lama: Chinas Führung schmollt

Bundeskanzlerin Merkel empfängt den Dalai Lama im Kanzleramt und sichert dem geistlichen Oberhaupt Unterstützung. Chinas Regierung ist entzürnt - in chinesischen Internetforen wird sie als "Hexe" bezeichnet.

Der erste private Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt erbost China. Bild: dpa

PEKING/BERLIN dpa "Mehr Aufmerksamkeit hätte die chinesische Regierung uns gar nicht schenken können", sagt eine Anhängerin des Dalai Lama. Sie ist am Sonntag wie hunderte andere Menschen zum Kanzleramt in Berlin gekommen, wo das geistige Oberhaupt der Tibeter zum Privatgespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammengekommen ist. Als er danach zu Fuß auf die Menschenmenge zugeht, ist der Jubel groß. Dass Peking gegen das Treffen protestiert hat und Merkel unter Druck setzen wollte, zeige nur, wie nötig Tibet internationale Hilfe brauche, sagt die Frau in dem bunten Gewand.

Merkel sagt dem Friedensnobelpreisträger dann auch Unterstützung zu und nimmt dafür die schwerste Krise ihrer Amtszeit im deutsch- chinesischen Verhältnis in Kauf. Das erste Opfer ist ausgerechnet der deutsche Rechtsdialog mit China. Mit der kurzfristigen Absage eines Symposiums zum Schutz des geistigen Eigentums am Sonntag in München macht die chinesische Führung ihrer tiefen Verärgerung über Merkel Luft, die als erster deutscher Regierungschef den in Peking als "Separatisten" verteufelten Dalai Lama empfängt. In Peking bangen deutsche Diplomaten und Wirtschaftsvertreter jetzt, was nach dem in Berlin offiziell als "privater Gedankenaustausch" beschriebenen Treffen mit dem religiösen Oberhauptes der Tibeter noch kommen mag.

Die Absage des Rechtsdialogs trifft eines der Aushängeschilder im deutsch-chinesischen Verhältnis und eines des großen Anliegen der deutschen Wirtschaft in China: Der Kampf gegen die Produktpiraterie. Gebetsmühlenartig hatte Peking vergangene Woche immer wieder vor Schaden für die Beziehungen gewarnt. Doch Merkel ließ sich nicht einschüchtern. Hatte die Kanzlerin erst vor vier Wochen bei ihrem Besuch in Peking durch ein Treffen mit kritischen chinesischen Journalisten ein Zeichen für Pressefreiheit gesetzt, unterstützt sie mit dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt dessen Forderung nach religiöser und kultureller Autonomie des tibetischen Volkes.

Ihre Botschaft an Peking lautet indirekt auch, den bisher mehr zur Besänftigung der Kritiker im Ausland geführten Dialog mit den Repräsentanten des Dalai Lamas endlich ernsthaft zu führen. Doch die Tibetfrage gehört wie Taiwan und das Massaker um den Tian'anmen-Platz von 1989 zu den heiklen drei "T-Themen", wo Chinas kommunistische Führer weder Einsehen noch Flexibilität zeigen. Das Treffen der Kanzlerin mit dem Dalai Lama stärkt jetzt auch noch ihre Kritiker in Peking, die Merkel wegen ihrer DDR-Vergangenheit und einer daraus gefolgerten besonderen Einsicht in diktatorische Systeme schon lange misstrauisch beäugen. Mit einem Machtwort hatte Regierungschef Wen Jiabao vor einem Monat zwar diese interne Debatte beendet, um die Beziehungen zu Merkel als dem strategisch wichtigsten Partner in Europa zu pflegen, doch bricht die Kritik jetzt von neuem los.

Schon seit Tagen schreitet der Zensor in den Onlineforen nicht mehr wie sonst sofort ein, wenn Diskussionsteilnehmer die Kanzlerin persönlich etwa als "Hexe" angreifen. Die Kanzlerin "spielt mit dem Feuer", befand ein Kommentar. "Sie versteht das heutige China nicht." Manche Attacken sind beleidigend, nicht zitierfähig. Es ist auch ein Aufruf zu lesen, vor der deutschen Botschaft zu demonstrieren. Kein Zweifel, nach Jahrzehnten der Propaganda und patriotischen Erziehung, dass "Tibet seit alter Zeit schon Teil Chinas gewesen ist", haben die meisten Chinesen - selbst bis hin zu Intellektuellen - wenig Verständnis für den Dalai Lama oder die magische Anziehungskraft, die Tibet und sein Buddhismus auf viele Menschen im Westen ausübt.

Nach der Machtübernahme 1949 in Peking und der Invasion der Volksbefreiungsarmee 1950 in Tibet hatten die Kommunisten das größte Hochland der Erde in die Volksrepublik einverleibt. Es wurde zerteilt, anderen Provinzen zugeschlagen und die übrig gebliebene Hälfte des alten Tibets 1965 als autonome Region angegliedert. Nach einem Volksaufstand flüchtete der Dalai Lama 1959 nach Indien. Jahrzehnte der Zerstörung des religiösen Lebens, der Klöster und Traditionen durch die Kommunisten, die Armee oder die eifernden roten Garden in der Kulturrevolution fanden erst mit der Reform- und Öffnungspolitik seit Ende der 70er Jahre langsam ein Ende. Doch regiert Peking bis heute mit harter Hand und unterdrückt jedes Aufbegehren der Tibeter gegen die chinesische Fremdherrschaft.

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