: Merkel macht in Moral
Die CDU-Chefin wird mit 88,4 Prozent als Parteivorsitzende wiedergewählt. Mit einem Cocktail patriotischer und nationaler Werte schwört sie die Partei auf die kommenden Wahlkämpfe ein
DÜSSELDORF taz ■ Mit 88,4 Prozent Zustimmung ist die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, gestern in ihrem Amt bestätigt worden. Damit bekam Merkel auf dem Parteitag in Düsseldorf 5,3 Prozent weniger als im Vorjahr in Leipzig.
Mit einem deutlichen Akzent auf moralischen und nationalen Werten hatte Merkel zuvor ihre Partei auf die Wahlkämpfe in den kommenden zwei Jahren eingestimmt: Jetzt heiße es „Attacke auf die anderen“. In einer zweistündigen Rede beschwor Merkel vor den 1.001 Delegierten des Düsseldorfer Parteitags ein Wertegerüst, das unter anderem aus Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, Konsequenz, Leistungsbewusstsein und Patriotismus bestand. Eine Gesellschaft „lebt aus dem, was immer gilt“, sagte Merkel weiter. In der DDR habe sie erlebt, wie der Sozialismus die Familien quälte und gängelte. Die Familie aber sei allein imstande, „Treue und Halt“ weiterzugeben.
Daraus entwickle sich ein Gefühl für Heimat, wovon Rot-Grün jedoch nichts verstehe. „Wir müssen das Thema besetzen“, rief Merkel. Des Kanzlers Vorstoß, den 3. Oktober nicht mehr als Nationalfeiertag zu begehen, geißelte sie ausführlich. Kurzer Jubel brach aus, als Merkel rief: „Ich will nicht, dass die deutsche Einheit an der Geschichtsvergessenheit eines einzelnen Mannes scheitert!“
Eine „freiheitlich demokratische Leitkultur“ sei das Gegenteil des „Multikulti“-Begriffs von Rot-Grün, der gescheitert sei. Die CDU sei gegen Ausländerfeindlichkeit. Aber Zuwanderung dürfe es nur geben, soweit es deutschen Interessen diene. Die Mitarbeit der Union am Zuwanderungsgesetz habe das Signal gesetzt. Merkel kündigte an, die CDU werde im kommenden Jahr einen Entwurf einer Unternehmensteuerreform sowie neue Konzepte zur Familienpolitik und zur Außen- und Sicherheitspolitik vorlegen. Die CDU-Vorsitzende betonte den Wert der Atomkraft und versprach der Pharmaindustrie Rückhalt. In der Bildungspolitik forderte sie „Schluss mit den Debatten um die Einheitsschulen“. Merkel bekam lang anhaltenden, aber keinen rauschenden Applaus. UWI
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