Merkel in Washington: Ein bisschen Freiheit aus Metall
Barack Obama hofiert Angela Merkel bei einem Gute-Laune-Treffen in Washington und ehrt sie mit dem höchsten zivilen Orden. Neue Initiativen bringt das Treffen nicht.
WASHINGTON taz | Dass sie eines Tages im Rosengarten auf der Südseite des Weißen Hauses stehen und von einem US-Präsidenten eine Medaille bekommen würde, hat sich Angela Merkel selbst in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. "Ich bin im unfreien Teil von Deutschland aufgewachsen", sagt die Bundeskanzlerin an diesem warmen Abend kurz vor Sonnenuntergang in Washington, "wie viele, träumte ich von Freiheit und ich hatte auch geplant, eines Tages eine Reise nach Amerika zu machen." Sie wollte es mit 60 tun. Dem Alter, in dem Frauen in der DDR in Rente gingen.
Die Bundeskanzlerin steht in einem langen schwarzen Abendkleid vor den 208 Gästen, die zu dem Staatsbankett geladen sind. Und bedankt sich bei Barack Obama, der ihr soeben die "Presidential Medal of Freedom" überreicht hat. Es ist die höchste Auszeichnung, die es in den USA für ZivilistInnen gibt, der Präsident überreicht sie und sie geht nur in Ausnahmenfällen an Ausländer. Unter letzteren waren auch Papst Johannes Paul II, Nelson Mandela und Helmut Kohl.
Als wäre das noch nicht genug der Ehre, sagt Obama, dass dies das erste Staatsbankett seiner Amtszeit für einen Europäer ist. Nur für die Präsidenten von China, Indien und Mexiko hat er zuvor solche Dinner ausgerichtet. In seinem Erzählstil für besondere Anlässe, spricht er über ein "kleines Mädchen namens Angela", das hinter dem Eisernen Vorhang aufwuchs und einen großen Freiheitswillen entwickelte.
Wie schon bei früheren Gelegenheiten stellt der US-Präsident dabei die Außenseiterbiographie der Bundeskanzlerin in den Vordergrund. Das ist etwas, das er mit ihr gemeinsam hat. Die Medaille, sagt er, sei eine Anerkennung für ihre herausragende Karriere. Als Obama der Kanzlerin die Medaille überreicht erheben sich an den großen runden Tischen im Rosengarten US-amerikanische und deutsche Beamte, Diplomaten und Politiker, sowie Merkels Gatte Joachim Sauer, der nur selten zu öffentlichen Auftritten kommt. Ebenfalls dabei sind ein paar von Merkels ausgewählten Gästen – darunter die Schriftstellerin Klier, der Ex-Fußballer Klinsmann, der TV-Master Gottschalk und der Chef der Bild Diekmann und der BDI-Präsident Keitel. Die Versammlung ist feierlich. Aber ganz ohne Stars, die den Hauptpersonen die Schau stehlen könnten.
Während beim Festbankett zum Abschluss des Treffens der beiden Politiker viel von Kommunismus, Eisernem Vorhang, Kaltem Krieg und anderen Vergangenheitsgeschichten die Rede ist, stand bei den vorausgegangenen Gesprächen von Merkel mit Obama und mit US-Außenminsterin Hillary Clinton, die Tagespolitik im Vordergrund. Unter anderem streiften sie den geplanten Beginn des amerikanischen Truppenabzugs aus Afghanistan in diesem Sommer. Die Lage in Pakistan. Die Frage der atomaren Bewaffnung des Iran. Die europäische Finanzkrise. Den "arabischen Frühling". Die Situation im Nahen Osten.
Und die Zeit nach dem Krieg in Libyen. In der Berliner Enthaltung bei der Abstimmung über den Nato-Einsatz im Weltsicherheitsrat – bei der die Bundesregierung im Gegensatz zu den seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg gepflegten Usance anders als die USA gestimmt hat – wollen die beiden Politiker kein Problem sehen. Und nach dem "Rücktritt" Gaddafis, von dem sich sowohl Obama, als auch Merkel in Washington überzeugt zeigen, kommt Deutschland in Libyen eine besondere Rolle zu, sagen sie. Unter anderem, so die Bundeskanzlerin, bei der Ausbildung der Polizei.
Neue Entschlüsse und neue Initiativen freilich bringen die eineinhalb Tage in Washington nicht. Es ist ein Gute-Stimmung-Treffen. Die beiden Politiker spielen sich Bälle zu. Um zu demonstrieren, dass sie sich leiden können, dass sie sich vertrauen und dass sie gut miteinander zusammen arbeiten. Als Obama, der als Präsident noch nicht in Berlin gewesen ist, sagt, dass er gerne kommen würde, aber keinen Termin nennt, sagt Merkel: "Wir Berliner können warten", und witzelt in einer Anspielung auf ein Ansinnen des Wahlkämpfers Obama: "Das Brandenburger Tor steht noch eine Weile."
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