Merkel-Besuch in Afghanistan: Steinmeier erfuhr es "durch Zufall"
Der am Dienstag vorzeitig beendete Besuch von Kanzlerin Merkel in Afghanistan wurde bis zuletzt streng geheim gehalten - auch vor ihrem Außenminister Steinmeier. Der ist verärgert.
BERLIN dpa/ap Wegen schlechten Wetters hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Überraschungsbesuch in Afghanistan am Dienstag vorzeitig beenden müssen. Die Kanzlerin konnte wegen ungünstiger Witterungsbedingungen nicht wie geplant mit dem Hubschrauber vom größten Bundeswehrstützpunkt Masar-i-Scharif nach Faisabad fliegen.
Die streng geheim gehaltene zweite Visite Merkels in Afghanistan hat derweil in Berlin ihren Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verärgert: Steinmeiers Sprecher sagte, das Auswärtige Amt habe am Sonntag "mehr oder weniger durch Zufall" von dem Besuch erfahren.
Daraufhin entgegnete Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, Steinmeier sei von Merkel persönlich vorab informiert worden. "Es gab ein Gespräch unter vier Augen." Nach Angaben des Auswärtigen Amtes geschah dies aber erst, nachdem Steinmeier sie auf die Reise angesprochen hatte.
Merkel hatte am Montag überraschend zunächst das Feldlager Kundus im Norden Afghanistans und dann das Hauptquartier in Masar-i-Scharif besucht. Sie wollte sich in Faisabad auch den dritten Standort der Bundeswehr ansehen. Er liegt auf 2400 Meter Höhe.
Die Kanzlerin hatte sich dabei für eine weiterhin hohe Präsenz der Bundeswehr ausgesprochen. Ziel sei es, die Afghanen in den nächsten Jahren selbst in die Lage zu versetzen, für die eigene Sicherheit zu sorgen.
Schlechte Sicherheitslage
Bei ihrem Blitzbesuch hatte Merkel selbst zu spüren bekommen, wie sich die Sicherheitslage in diesem Land verschlechtert hat. Am ersten Tages ihres Besuchs gab es gleich zwei sicherheitsrelevante Vorfälle, die möglicherweise direkt in einem Zusammenhang mit der Visite standen.
Das Bundeswehrlager in Kundus wurde mit Raketen beschossen, kurz nachdem die Kanzlerin aus ihm abgeflogen war. Im Standort Masar-i- Scharif war ein explosionsartiges Geräusch zu hören, als Merkel mit dem Gouverneur der Region sprach.
Zum Raketenangriff auf das Lager Kundus behauptete ein Sprecher der Taliban, der Angriff habe Merkel gegolten. Die Bundeswehr wies dies zurück. "Das ist vollständiger Blödsinn", hieß in dem nordafghanischen Bundeswehrstandort. Die Behauptung des Sprechers, Merkel Flugzeug sei bei der Landung angegriffen worden, entsprach nicht den Tatsachen. Merkel kam an Bord eines Hubschraubers nach Kundus, bei der Landung gab es keinen Raketenbeschuss.
Über die Umstände des explosionsartigen Geräuschs später in Masar-i-Scharif konnte die Bundeswehr keine eigenen Angaben machen. Die Sicherheitskräfte berichteten, von afghanischer Seite sei als Ursache ein geplatzter Autoreifen genannt worden. Wegen der unklaren Situation war zunächst erwogen worden, einen Punkt vom Besuchsprogramm zu streichen. Merkel entschied dann selbst, ein Hospital, das mit deutscher Hilfe gebaut wird, dennoch zu besichtigen.
Deutschland wird die Zahl seiner Soldaten in Afghanistan in den nächsten Monaten von jetzt 3800 auf 4400 erhöhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!