Menschenrechtsbericht: Moskau ignoriert Strassburger Urteile
Human Rights Watch kritisiert die Umsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zugunsten tschetschenischer Kläger.
ST. PETERSBURG taz | Russland setzt Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg zu Klagen tschetschenischer Opfer von Menschenrechtsverletzungen nur mangelhaft um. Zu diesem Schluss kommt die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW)) in ihrem jüngsten Bericht. HRW hatte die Reaktion Russlands auf Dutzende Urteile des Straßburger Gerichts untersucht. In allen Fällen ging es um schwerste Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Verschleppungen.
Nicht ein einziges Mal seien die Verantwortlichen für die Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden - auch dann nicht, wenn diese vom Europäischen Menschengerichtshof namentlich benannt worden seien. Lediglich Schadenersatzzahlungen an Angehörige der Verschleppten und Ermordeten, zu denen das Gericht Russland verpflichtet habe, würden die russischen Behörden leisten.
Mehrere Millionen Euro müsse Russland jedes Jahr auf Anordnung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs Opfern von Menschenrechtsverletzungen zahlen, berichtet das russische Internet-Portal newru.com. Der Gerichtshof hatte Russland im März mit einer Suspendierung seiner Mitgliedschaft im Europarat gedroht, sollte Moskau die Urteile nicht innerhalb eines halben Jahres umsetzen.
Russlands Missachtung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes trage mit zur Eskalation der Gewalt im Nordkaukasus bei, meinen russische Menschenrechtler. Solange die Täter keine Bestrafung fürchten müssten, werde die Gewalt kein Ende nehmen.
Auch in diesem Jahr hat sich an der hohen Zahl von Verschleppungen und außergerichtlichen Hinrichtungen in Tschetschenien nichts geändert. Die Zahlen seien im Vergleich zu 2007 und 2008 sogar gestiegen, schreibt Amnesty International in einem Memorandum an Russlands Präsidenten Medwedew.
Die jüngste HRW-Bericht dürfte das Verhältnis zwischen Menschenrechtsorganisationen und den russischen Behörden weiter belasten. Im Juli hatte das russische Außenministerium Amnesty International vorgeworfen, sich zum Erfüllungsgehilfen des Westens zu machen. Die Menschenrechtsorganisation hatte die russischen Behörden beschuldigt, im Nordkaukasus in ihrem Kampf gegen bewaffnete Gruppen "Methoden anzuwenden, die im klaren Widerspruch zum internationalen Recht stehen".
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