Menschenrechtsaktivist Teng Biao: "Treffen mit Dalai Lama helfen China"
In China entsteht eine Zivilgesellschaft, die jeden Millimeter Freiheit dem Regime abpressen muss. Dafür braucht sie die Unterstützung des Westens, so der Menschenrechtsaktivist und Jurist Teng Biao
taz: Herr Teng, ist es gefährlich für Sie, mit westlichen Journalisten zu sprechen und mit amnesty international zusammenzuarbeiten?
Teng Biao: Es ist das Risiko wert. Viele Menschen haben falsche Vorstellungen von den Entwicklungen in China. Sie denken, dass sich dort alles zum Guten entwickelt und China immer wohlhabender wird. Andere meinen, alles wird dort nur noch schlimmer. Beide haben Unrecht.
Also gibt es auch Fortschritte?
Ja. In China entwickelt sich eine Zivilgesellschaft. Viele einfache Bürger fangen an, die Gesetze für sich zu nutzen, um ihre Grundrechte durchzusetzen. Mit Hilfe des Internets können sie sich freier informieren. Es gibt jetzt auch Menschenrechtsanwälte und -aktivisten.
Teng Biao ist Juradozent an der Universität in Peking. Er arbeitet zudem als Rechtsanwalt und ist Direktor der NGO "Open Constitutional Initiative". Das chinesische Justizministerium zeichnete ihn 2003 als eine der "zehn wichtigsten Persönlichkeiten des Rechtssystems" aus, Newsweek (Asien) nannte ihn 2005 eine der "Persönlichkeiten des Jahres". Er vertrat Falun-Gong-Anhänger, Christen, Wanderarbeiter u.a. vor Gericht.
Und das ist neu?
Ja. Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat die Zivilgesellschaft heute mehr Freiräume. Viele Chinesen kritisieren heute im Internet die Regierung - dafür wären sie vor zehn Jahren noch ins Gefängnis gekommen. Zwar werden auch heute noch Internetautoren eingesperrt, aber die Freiräume im Internet haben sich vergrößert. Ein klarer Fortschritt, der auf die Aktivitäten tausender Chinesen zurückzuführen ist und nicht auf den Willen der Kommunistischen Partei.
Was hat sich verschlechtert?
Die Lage der Menschenrechte. Wir haben noch immer keine politischen Freiheiten, um die Grundrechte zu schützen: Keine Meinungsfreiheit, keine Unabhängigkeit der Justiz, keinen Parteienpluralismus und keine freien Wahlen. Verglichen mit anderen Staaten hat sich die Lage der Menschenrechte in China in einigen Bereichen verschlechtert.
Deutschland setzt auf den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog. Hilft das?
Ja, etwa bei der Ausbildung unserer Anwälte und Richter.
Es hat einige Änderungen im Rechtssystem gegeben, und dabei war die internationale Hilfe positiv wie zum Beispiel bei der Reform des Strafrechts. Aber die politischen Grundstrukturen bestehen weiter. Wir müssen die Regierung drängen, auch ihre Praxis zu verändern und nicht nur ihre Gesetze. Aber Chinas Regierung will nur wenig Änderungen
Chinas Regierung hat den Rechtsstaatsdialog wegen eines Treffens der Bundeskanzlerin mit dem tibetischen Dalai Lama gerade ausgesetzt.
Das zeigt, dass dieser Dialog Chinas Regierung auch als Werkzeug dient, um ihre Meinung durchzusetzen. Gelingt dies nicht, droht sie wie jetzt im Fall Deutschlands mit Abbruch der Gespräche. Ich begrüße, dass die deutsche Kanzlerin den Dalai Lama getroffen hat. Das ist gut und richtig - wie es auch die Fortsetzung des Rechtsstaatsdialoges wäre.
Helfen symbolische Akte wie das Treffen der Kanzlerin mit dem Dalai Lama den Menschenrechten? Oder wäre es besser, auf stille Diplomatie zu setzen?
Die Kanzlerin hat sich richtig verhalten. Ein Treffen mit dem Dalai Lama ist eine Botschaft an die chinesische Regierung, dass sich die Welt um Menschenrechte in Tibet sorgt. Der Dalai Lama setzt sich friedlich für die Tibeter und ihre Autonomie ein. Er kämpft nicht mit Gewalt und nicht für die Unabhängigkeit von China. Ein Treffen mit ihm ist deshalb nicht nur gut für die Tibeter, sondern auch für die Chinesen.
Warum?
Wenn Tibeter radikaler werden als der Dalai Lama, wäre dies für Tibeter wie Chinesen schlecht. Deshalb sollte sich die Welt stärker um die Menschenrechte in Tibet sorgen. Ich glaube auch nicht, dass Merkels Treffen mit dem Dalai Lama den deutsch-chinesischen Beziehungen und dem Handel sehr schadet. Je mehr Staats- und Regierungschefs den Dalai Lama treffen, desto besser.
2008 sind Olympischen Spielen in Peking. Hilft das den Menschenrechten?
Der Regierung sind die Spiele sehr wichtig. Sie muss deshalb auch gewisse Fortschritte bei den Menschenrechten erzielen. Deshalb genießen ausländische Journalisten in China jetzt etwas mehr Freiheiten. Ob die Spiele auch die Menschenrechtslage der einfachen Bürger in China verbessern, hängt davon ab, wie wir Chinesen uns selbst verhalten. Nutzen wir die Zeit bis zu den Spielen nicht für den Einsatz für unsere Rechte, wird die Regierung unsere Rechte einschränken und die Zivilgesellschaft strenger kontrollieren. Die Regierung will alles kontrollieren. So stehen einige Aktivisten unter Hausarrest und Petitionssteller, die bei den Behörden Eingaben gemacht haben, sind verhaftet worden. Wir brauchen eine klare Botschaft der internationalen Gemeinschaft.
Wie soll die Botschaft aussehen?
Der chinesischen Regierung deutlich sagen, dass die Olympischen Spiele keine Ausrede für Menschenrechtsverletzungen sein dürfen und dass wenn sie sich nicht an ihre eigenen Versprechen, die eigene Verfassung und die Gesetze hält, sie das Recht auf die Spiele verliert.
INTERVIEW: SVEN HANSEN
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