Menschenrechte in Afghanistan: Karsai schasst drei Menschenrechtler
Der afghanische Vizepräsident Qasim Fahim soll Verbrechen gegen die Menschenrechte organisiert haben. Doch statt seiner schasst Karsai den Initiator der Untersuchung.
Eine ihm unterstellte Einheit habe 1989 bis 1992 "exklusiv die Verhöre und Folter" in einem Gefangenenlager für politische Gegner organisiert. Und er sei 1993 während "des Massakers und der Massenvergewaltigungen" im Kabuler Viertel Afschar für "Spezialoperationen" zuständig gewesen.
So ähnlich wie in einem Bericht einer Menschenrechtsorganisation von 2005 wird über Afghanistans derzeitigen Ersten Vizepräsidenten Mohammed Qasim Fahim auch im sogenannten Mapping-Report zu lesen sein, einer "Kartierung" seit 1978 in Afghanistan begangener Kriegsverbrechen. Diesen will Afghanistans Unabhängige Menschenrechtskommission (AIHRC) bald veröffentlichen.
Nader Nadery gehört zu den Initiatoren dieses Reports, der erneut die finstere Vergangenheit hochrangiger Angehöriger der Regierung von Präsident Hamid Karsai ins Licht rückt. Das dürfte der eigentliche Grund für die Ablösung des 36-jährigen AIHRC-Kommissars sein. Wie zwei anderen Mitgliedern - Ahmad Hakim Fahim (nicht mit dem Vizepräsidenten verwandt) und dem Geistlichen Ghulam Mohammed Gharib - wurde ihm am Donnerstag mitgeteilt, dass Karsai ihre gerade ausgelaufenen Mandate nicht verlängert.
Ein Präsidentensprecher bestätigte gestern, man wolle "frische Leute" in die Kommission holen. Die Namen der Neuen, die bereits in Kabul kursieren - alles Karsai-Loyalisten -, deuten darauf hin, dass man die lästige Kommission einschläfern will.
Öffentliche Schmutzkampagne und Drohungen
Auch Hakim Fahim war Karsai und seinem Vize auf die Füße getreten. Er hatte die Wahlen für die 34 Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft bei der Bonner Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember organisiert. Dabei waren Vertreter regierungsnaher Organisationen durchgefallen. Es folgten eine öffentliche Schmutzkampagne, Manipulationsvorwürfe und direkte Drohungen.
Das Vorgehen Karsais und seiner Warlord-Verbündeten gegen die AIHRC richtet sich gegen eine der effektivsten und angesehensten Institutionen, die im Zuge der nicht an Erfolgsgeschichten reichen westlichen Afghanistan-Intervention entstanden sind. Nadery erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, seine Chefin Sima Samar war sogar mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert. Aziz Rafiee, einer der bekanntesten Aktivisten in Kabul, sprach jetzt vom "Beginn der Niederschlagung der Demokratie in Afghanistan".
Bezeichnenderweise kommt die Entlassung der drei kurz nach der Bonn-Konferenz, wo die afghanische Regierung und Vertreter 99 von Staaten und Organisationen wie der UNO in hehren Worten versicherten, für Reformen zu arbeiten, Menschenrechte zu schützen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Mal sehen, ob die Regierung Merkel angesichts der Causa Wulff und über Weihnachten Zeit für eine Stellungnahme findet. Vielleicht könnte sie ein paar Soldaten aus Kundus abstellen, um für die Sicherheit der drei Exkommissare zu sorgen, die besonders gefährdet sein dürften, wenn der Mapping-Report endlich herauskommt.
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