piwik no script img

Menschenrechte im Iran"Wir setzen auf Dialog"

Schirin Ebadi im Interview: Die iranische Friedensnobelpreisträgerin verlangt vom Westen, nicht nur das Nuklearprogramm, sondern auch die Menschenrechtslage zu thematisieren.

Schirin Ebadi: Gegen die Bedrohung mit militärischer Gewalt. Bild: dpa
Gernot Knödler
Jan Kahlcke
Interview von Gernot Knödler und Jan Kahlcke

taz: Frau Ebadi, in der vergangenen Woche wurde das neue Kabinett von Präsident Ahmadinedschad gewählt. Ist das Irans erste Militärregierung?

Schirin Ebadi: Nein, dafür fehlen bestimmte Charakteristika. Aber die Revolutionsgarden unterstützen Ahmadinedschad. Und die Gewalt, die von der Regierung gegen die Protestbewegung ausging, hatte schreckliche Ausmaße.

Im neuen Kabinett sitzen keine Geistlichen mehr. Ist das gut oder schlecht für das Land?

Ich achte nicht auf die Kleidung der Menschen, sondern darauf, was sie denken. Es ist selbstverständlich, dass Ahmadinedschad Leute ausgesucht hat, die denken wie er selbst. Vor ein paar Tagen sind sogar vierzig iranische Botschafter auf einen Schlag ausgewechselt worden. Es kommt nicht darauf an, ob das Geistliche sind oder Militärangehörige - es kommt darauf an, was sie umsetzen wollen, was sie in ihren Köpfen haben.

Die Geistlichkeit hat ja zumindest gegen die schlechte Behandlung von Gefangenen protestiert und die Schließung eines berüchtigten Gefängnisses erwirkt - unter Berufung auf den Islam.

Es hat ja nicht die gesamte Geistlichkeit dagegen protestiert. Mit anderen Worten: Es gibt unter den Geistlichen zwei verschiedene Richtungen. Die einen stehen hinter Ahmadinedschad, die anderen gegen ihn.

Wird es in einem Kabinett ohne Geistliche noch schwerer, Menschenrechtsfragen anzusprechen?

Leider hat es im Kabinett für mich nie Ansprechpartner in Menschenrechtsfragen gegeben, auch nicht in der Amtszeit von Chatami.

Von drei im Parlament durchgefallenen Ministerkandidaten waren zwei Frauen, andererseits hat es erstmals eine Frau ins Kabinett geschafft. Was bedeutet das für die Frauen im Iran?

Das hat keine positive Bedeutung, denn diese neue Ministerin denkt genauso wie Ahmadinedschad. Wichtig ist, dass ein Mensch die Gleichberechtigung für richtig hält. Genau zu dieser Frau, die jetzt Ministerin geworden ist, sind vorher Frauen gekommen und haben sie gebeten, Petitionen zu unterschreiben, mit dem Ziel die Polygamie abzuschaffen, oder Kindern, egal welchen Geschlechts, endlich das gleiche Erbteil zuzugestehen. Da hat sie gesagt: Nein, das seien Umstände an die sie glaube und die sie für richtig halte. Wenn so eine Frau Ministerin wird, bedeutet das nicht einmal einen kleinen Schritt zur Verbesserung der Rechte von Frauen.

Warum ist aus den Protesten keine landesweite Massenbewegung geworden?

Es ist eine Massenbewegung. Sie hat auf andere Städte als Teheran übergegriffen. Das kann man anhand der Festnahmezahlen feststellen. In kleineren Städten und auf dem flachen Land gab es diese Bewegung nicht, das stimmt. Natürlich hat nicht jeder Einzelne den Mut, sich offen gegen die Regierung zu stellen. Aber viele sind trotzdem unzufrieden. Ich nenne sie die "schweigenden Unzufriedenen".

Ging der Protest über die gut ausgebildete Jugend hinaus?

Die Fotos zeigen, dass alle Altersgruppen an den Protesten beteiligt waren - und wie viele Frauen dabei waren. Die unteren Schichten waren auch vertreten. es waren sehr viele Arbeiter unter den Protestierenden. Natürlich auch viele Studenten und Hochschullehrer, aber man kann die Bewegung nicht einer bestimmten Gruppierung, meinetwegen der Jugend, zuordnen.

Wie kann man die Reformbewegung am Leben halten?

v Da kommt Ihnen als Journalisten eine wichtige Rolle zu: Sie müssen weiter über das Geschehen im Iran berichten und dürfen nicht zulassen, dass die Menschen dort allein bleiben. Sagen Sie den Politikern in Europa, dass sie mit der iranischen Regierung nicht nur über das Nuklearthema reden sollen, sondern auch die Menschenrechtssituation und die Demokratie.

Muss der Westen auch Druck auf das Regime ausüben?

Wir setzen auf den Dialog. Ich bin keinesfalls bereit, einen militärischen Angriff auf den Iran hinzunehmen. Ich bin auch gegen die Bedrohung mit militärischer Gewalt. Dann könnte die Regierung unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit noch härter gegen die Opposition vorgehen.

Was ist mit Sanktionen?

Auch Sanktionen sind das falsche Mittel. Darunter würde nur die Bevölkerung leiden. Wir setzen auf den Dialog. Aber dafür muss der Westen aufhören, nur an die eigene Sicherheit zu denken, und endlich auch die Menschenrechtssituation in den Blick nehmen. Die iranische Regierung sagt, der Westen habe kein Recht dazu, das sei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran. Aber das stimmt nicht: Der Iran hat sämtliche Menschenrechtskonventionen unterzeichnet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • N
    noevil

    Shirin Ebadi ist eine bewundernswerte mutige Frau. Mit ihren Antworten zeigt sie klar auf einige der Schwachstellen der iranischen Regierung

    - die schwindende Zustimmung in der Bevölkerung durch das gewaltsame Vorgehen, nicht erst nach den Wahlen

    - die Unterdrückung der freien Presse.

     

    Wenn eine regelmäßige Berichterstattung über die Menschenrechtslage im Iran durch die taz stattfindet, wird sie nicht nur in mir eine interessierte Leserin haben, sondern sich hoffentlich auch irgendwann der Frage widmen, wie die Menschenrechte wirksamer auf demokratischem Wege durchzusetzen sein könnten.

     

    Ein guter erster Schritt ist ein aufmerksames Auge durch die Presse allemal, sofern er nicht auschließlich von Sensationsmeldungen getragen wird.