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Menschen wie du beziehungsweise ich: Das Schwarzwaldfräulein Von Claudia Kohlhase

Im Süden gehen die Kuckucksuhren anders. Zwar rufen auch viele Vögel aus dem Wald, aber das geht eventuell zu schnell. Und dann kommen nachher die Wanderer mit dem Wandern nicht nach oder die Ober nicht mit der Bestellung. Je weiter man also in den deutschen Süden kommt, desto gefaßter muß man sich machen; speziell als Frau. Denn im Schwarzwald ist das Mädel noch Mädel und bis in den Gasthof hinein eine kleine Sensation so allein.

Am Anfang war der Ober: „Das Fräulein wünschen“, hat er prophylaktisch freundlich gefragt, weil man ja nie weiß, was ein Fräulein so im Schilde führt, nachher fehlt das Blumenväschen. Hinter der rustikalen Theke hat rustikal die Löwen-Wirtin gestanden und mit giftigen Blicken den guten Ruf ihrer Gastwirtschaft verteidigt — hatte es das schließlich schon mal gegeben, daß hier einfach so ein Fräulein hereinspaziert war, als wär' hinten nicht grade der Stammtisch mit dem Oberbürgermeister, Wächter aller 1.000 Seelen im Dorf und also auch Bewahrer vor wildwachsenden Fräuleins?

Zur Strafe war erst mal der Bibbeleskäs' alle gewesen; na ja, ist auch bloß Quark, hatte sich das Fräulein besänftigt und wußte noch aus eigener Urzeit, daß im Badischen der Bibbeleskäs' niemals zur Neige geht, ebensowenig der Fleischkäs'. Hinter dem Fräulein ist auf einmal Leben mit Witzen in den Stammtisch gekommen. Das ist denn doch zu einfach, dachte das Fräulein und katapultierte sich in die nächstliegende Universitätsstadt, die tapfer in die Moderne blinzelte und Fräuleins sogar in ihre Seilbahnen und auf die zarten Berge ließ; da oben konnte ein Fräulein ja auch so schnell keinen Schaden anrichten. Das Fräulein hat aber zusehen müssen, daß es wieder runterkam vom Berg. Denn der Seilbahnführer hat vor lauter Schreck, daß das Fräulein ihn angelacht hat, keine einzige Richtung mehr gewußt oder einen weiterführenden Bus.

Zur Belohnung, daß das Fräulein in den Wäldern nicht verschüttgegangen ist, hat es auf einem kleinen Markt von einem kleinen Mütterlein ein Paar kleine Strohschuhe gekauft. Das Mütterlein hat schon nicht mehr gut sehen können, dem Fräulein deswegen ohne Arg seine Strohschuhe mitgegeben und gefragt, wo das Fräulein denn herkäme. Das Fräulein hat sich zuerst schrecklich geniert und dann „aus dem Norden“ gemümmelt. Jesses, aus dem Norden, hat da das Mütterlein gerufen, als wäre es wieder sehend geworden, und dem Fräulein blieb nichts anderes übrig, als ins nahe Münster zu fliehen, wo eine heilige Messe stattfand. Da das Fräulein ein wenig echauffiert war, quietschte die hohe Türe extra tief, so daß der Priester und auch alle anderen Christen auf der Stelle ihre Hostien vergaßen und elend daran erstickten. Jesses, was bin ich auch für ein Fräulein, dachte das Fräulein, schlich zum Seiteneingang heraus, stolperte über einen bettelnden Mann und fuhr mit dem übrigen Geld noch einmal Straßenbahn. Noch einmal spiegelte sich das Fräulein im gebohnerten Kopfsteinpflaster; aber das Fräulein wußte, daß so ein Pflaster nicht fürs Fräulein gemacht war oder für Pumps. Es kaufte noch eine Postkarte vom Schwarzwald bei Nacht und fotografierte extra verwackelt. Dann verließ das Fräulein den Schwarzwald, als wär' er ein bißchen zu dunkel.

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