■ Mensch im Ringen mit der Schach-Maschine: „Du Schwachspieler!“
Was waren das noch für Zeiten, als die cholerische Saufnase Aleksandr Aleksandrowitsch Aljechin seinem holländischen Gegenüber, Max Euwe, mittels gestricktem Pullover mit Katzenmotiv das Goudagelb ins Gesicht trieb. Aljechin wollte Schachweltmeister werden, also setzte er sich im Finalkampf auf besagten Pullover noch eine Perserkatze und streichelte sie so lange, bis Euwes Katzenallergie jede Konzentration unmöglich machte. Fiesling Aljechin wurde Weltmeister.
Das ist lange her, und so wie es ausschaut, wird die Zukunft arm bleiben an derart menschelnden Tragödien. Oder ist Fritz 5 Allergiker?
Wohl kaum. Fritz 5 ist eine flache Scheibe. In der Mitte ist ein Loch, und wenn man Fritz ins CD-Rom-Laufwerk eines Computers schiebt, spielt der anschließend Schach. Und das so gut, das kaum einer der 50 anwesenden Herren während der Werbeveranstaltung der Fritzfirma ChessBase in der Buchhandlung Storm an der Langenstraße den Mut aufbrachte, sich vor aller Augen auf ein Spiel mit dem Silberling einzulassen.
Der arme Mensch, der dann doch zwei Partien wagte, bereute es sicherlich schon nach dem ersten Mausklick. Denn Fritz kann nicht nur Schach spielen, sondern auch noch reden. „Du Schwachspieler“, raunzte er den bedauernswerten Mann nach einem mißglückten Zug an, mit „Jetzt wirst Du tiefergelegt“, kündigte er kurz darauf schon drastischere Maßnahmen an. An die Stelle der subtilen Katzenpullovernummer sind heute also deftige Verbalinjurien getreten. Mit der Spielbewertung „Das gewinnt mein Taschenrechner gegen Dich“trampelte Fritz so erfolgreich auf der Psyche seines Gegners herum, daß der anschließend sogar auf der Spielstufe „Angsthase“verlor. Auf den anderen Spielniveaus namens Meuchelmörder, Gnadenlos und Dampfwalze wäre es ihm wohl kaum besser ergangen.
So sind diese Maschinen: Arrogant und hochnäsig, nur weil sie 200.000 Stellungen pro Sekunde durchrechnen können und 500 Eröffnungen präsent haben. Da hilft nur eins: Scheibe auf den Boden legen und so lange darauf herumtrampeln, bis sich dieser Fritz in einen Haufen Müll verwandelt hat. Für dieses Gefühl souveräner Überlegenheit gibt man gerne 198 Mark aus. Und wenn man sich beeilt, bekommt man noch die Version, die in Zukunft bald der Verfassungsschutz auf den Index setzen wird. Oder glaubt jemand, daß ein Programm, das das Schlagen einer Figur mit „Wie die Hamburger Polizei: Erst schlagen, dann fragen“kommentiert, noch lange im freien Handel erhältlich ist? zott
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