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Archiv-Artikel

„Meine Politik ist europäisch“

INTERVIEW SUSANNE KNAUL

taz: Herr Präsident, heute werden Sie zu politischen Gesprächen in Wien erwartet. Österreich hat derzeit die Präsidentschaft in der Europäischen Union. Was erwarten Sie von den Europäern?

Mahmud Abbas: Wir werden versuchen, den Europäern unsere Position zu erklären. Wir werden über Demokratie reden und die Situation klären und sie natürlich darum bitten, die Finanzhilfe fortzusetzen. Sollten sie die Zahlungen einstellen, würde das nichts anderes bedeuten, als dass sie das palästinensische Volk dafür, dass es Demokratie praktiziert, bestrafen. Wir werden das der österreichischen Regierung, die nun den EU-Vorsitz innehat, erklären.

Sie haben bei der Vereidigung der neuen Parlamentarier im palästinensischen Parlament an die Verpflichtungen erinnert, die die Palästinenser mit der Unterzeichnung der Abkommen mit Israel eingingen. Stimmen Sie den europäischen Bedingungen für eine Fortzahlung der Finanzhilfen nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas zu?

Ich glaube nicht, dass wir hier vor einer besonderen Herausforderung stehen, denn unsere Verpflichtungen wurden von der alten Autonomiebehörde gemeinsam mit der PLO eingegangen. Niemand kann diese Verpflichtungen widerrufen. Die neue Regierung wird sich dem anpassen müssen.

Sie wissen, dass die EU der neuen Regierung Bedingungen stellte. Empfinden Sie das als richtige Maßnahme?

Die Bedingungen, die die Europäer stellen, decken sich mit unseren internationalen Verpflichtungen, angefangen von Oslo bis zur Roadmap, dem internationaler Friedensplan; genau das habe ich den neuen Parlamentariern verdeutlicht.

Vorläufig lehnt die Hamas die Verpflichtungen ab.

Sie sollte sich besser daran halten. Sie sollte das wirklich. Ohne das werden wir von der internationalen Gemeinschaft isoliert werden. Es wird eine Krise geben, und zwar nicht nur zwischen der Regierung und der Präsidentschaft, sondern zwischen der Regierung und der Autonomiebehörde als Ganzes und der internationalen Gemeinschaft. Wir sollten das nicht riskieren.

Halten Sie eine Umgehung der palästinensischen Regierung bei der Zahlung der Aufbauhilfe an das palästinensische Volk für möglich und sinnvoll?

Wie das Geld gezahlt wird oder über welche Kanäle ist nicht entscheidend. Darüber können wir reden. Aber es sollte eine kontinuierliche Fortsetzung der Aufbauhilfe geben.

Verhandlungen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel sind vorläufig ausgeschlossen. Tatsächlich ist ja die PLO für Verhandlungen zuständig. Halten Sie eine Einigung zwischen der PLO und Israel in den kommenden vier Jahren für denkbar?

Das hängt zuallererst von Israel ab. Wir haben drei zentrale Themen: Das erste sind die alltagsbedingten Angelegenheiten, das zweite ist die Umsetzung der Sharm-al-Sheich-Vereinbarungen, das dritte ist die Endstatuslösung. Der zweite und der dritte Punkt setzen Verhandlungen mit Israel voraus. Bis heute verweigert sich die israelische Seite Gesprächen mit uns und verfolgt stattdessen unilaterale Schritte, die wir nicht akzeptieren werden. Der Roadmap entsprechend, müssen wir uns an einen Tisch setzen und über Lösungen verhandeln. Die alltäglichen Angelegenheiten werden von unserer Regierung und ihrem Counterpart auf der anderen Seite, der israelischen Regierung, geregelt werden. Natürlich muss es Kontakte geben. Sie müssen miteinander reden. Dies sind die Probleme. Ich glaube, dass die Hamas die Situation wahrnimmt.

Angenommen, die Israelis nehmen eine entgegenkommendere Haltung ein als bisher und zeigen Bereitschaft, mit Ihnen als PLO-Chef zu verhandeln. Halten Sie es für möglich, dass Sie in den kommenden vier Jahren ein Abkommen mit Israel unterzeichnen, das die Hamas ablehnt?

Alle bisherigen Abkommen wurden entweder von mir selbst oder von dem verstorbenen Präsidenten Jassir Arafat in der Funktion als PLO-Chef unterzeichnet. Die gegenseitige Anerkennung, die wir im September 1993 unterzeichneten, fand zwischen der PLO und der Regierung von Israel statt, nicht zwischen der Autonomiebehörde, die es damals noch gar nicht gab, und Israel. Ich bin als PLO-Chef dazu befugt, jegliche Vereinbarungen zu unterzeichnen.

Der israelische Premier Ehud Olmert kündigte weitere einseitige Schritte seiner Regierung an. Trotzdem wird berichtet, dass Sie auf einen Wahlsieg Olmerts hoffen. Wie geht das zusammen?

Es war ein Missverständnis. Der Journalist fragte mich, ob eine Kooperation mit Olmert möglich wäre, sollte er die Wahlen gewinnen. Darauf antwortete ich positiv. Wir werden mit jeder legal gewählten Regierung Israels verhandeln. Wenn die Israelis Olmert wählen, dann werden wir mit ihm verhandeln, ist es Likud-Chef Benjamin Netanjahu, dann werden wir uns mit ihm auseinander setzen, ebenso mit Amir Peretz von der Arbeiterpartei. Wir werden uns in die internen israelischen Angelegenheiten nicht einmischen.

Wen würden Sie bevorzugen?

Sie fragen die gleiche Frage. Wenn ich jetzt sagte, den oder den, dann bedeutete das, dass ich mich einmische.

Was sagen Sie zu Olmerts Ankündigung weiterer unilateraler Schritte?

Wir sagen, das ist gegen alle bisherigen Vereinbarungen, vor allem gegen die Roadmap, die auf eine Friedenslösung nach Verhandlungen abzielt. Wir müssen uns zusammensetzen und miteinander reden über jeden einzelnen Punkt, sowohl was die Übergangsphase als auch den Endstatus betrifft.

Sie haben Ihren Rücktritt in Aussicht gestellt, sollte sich die Hamas quer stellen und sich Verhandlungen als nicht machbar herausstellen. Was glauben Sie, wie lange Sie noch Palästinenserpräsident bleiben werden?

Ich werde meine Mission fortsetzen, solange ich das Gefühl habe, dass es Hoffnung gibt. Ich habe Hoffnung und werde meinem Volk dienen.

Was muss noch passieren, damit Sie die Hoffnung aufgeben?

Sie stellen schon wieder eine rhetorische Frage. Lassen Sie uns abwarten. Die Zukunft wird uns klüger machen.

Es sieht aus, als lehne die Fatah einen Koalitionsbeitritt ab. Warum?

Es gibt noch keine offizielle Entscheidung. Die Fatah kann der Regierung nur auf der Basis einer klaren Plattform beitreten, und zwar der Plattform, die ich vor dem Parlament darlegte. Wenn es eine Einigung auf dieser Basis gibt, dann wird es eine große Koalition geben.

In den vergangenen Monaten gab es wiederholt Demonstrationen von palästinensischen Polizisten, die dagegen protestierten, bei ihrem Kampf gegen die bewaffneten Banden keine Rückendeckung von der Führung zu bekommen, von der Regierung, von Ihnen. Warum haben Sie die Polizei nicht ihre Aufgabe tun lassen.

Das Gegenteil ist der Fall. Seit meiner Zeit als Premierminister und jetzt als Präsident nicht weniger sage ich den Polizisten: Ihr müsst alle bekämpfen, die das Gesetz überschreiten. Was Sie sagen, ist die Unwahrheit. Ich habe dem Innenminister entsprechende Anweisungen erteilt und den Kommandanten der nationalen Sicherheitskräfte.

Worum ging es dann bei den Demonstrationen?

Innerpalästinensische Probleme.

Warum ist es so schwierig, die Fatah zu reformieren, wie es sich der Nachwuchs wünscht. Und was wollen sie tun, um die Wahlen in vier Jahren zu gewinnen?

Wir haben in der vergangenen Woche innerhalb des Fatah-Revolutionsrates mit Reformen begonnen. Es gibt jetzt 17 Parteigruppen, die daran arbeiten. Ich hoffe, dass in den kommenden drei Monaten innerhalb der Fatah wieder Ordnung einkehren wird und die Fatah wieder zu ihrer alten Rolle zurückkehrt.

Zurück zum Anfang unseres Gesprächs: Was können Sie den Europäern bei Ihrer Reise versprechen?

Ich werde ihnen sagen, dass das meine Politik ist, die auch die europäische ist. Wir müssen zusammen dafür kämpfen, dass unsere Politik umgesetzt wird. Es gibt bis heute noch keine Regierung. Wenn wir die Regierung gründen, werden wir die politische Agenda sehen. Das ist das Procedere. Lassen Sie uns einen Schritt nach dem anderen tun.