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DOKUMENTATIONMeine Österreicherinnen und Österreicher!

■ In einer Fernsehansprache beklagte sich Kurt Waldheim über die Verleumdungen gegen ihn und forderte Ruhe im Land / An einen Rücktritt denkt er jedenfalls nicht

„Alles, was jetzt wieder diskutiert wird, begann vor zwei Jahren. Damals, Wochen vor dem ersten Wahlgang, wurden wir alle plötzlich mit schweren Vorwürfen gegen mich konfrontiert. Es ging um meinen Kriegsdienst, und man versuchte von Anfang an, mir Kriegsverbrechen und das Verheimlichen von Kriegsverbrechen nachzuweisen. Meine Ankläger kamen aus Österreich und aus dem Ausland. Sie scheuten vor nichts und keinem Mittel zurück, es wurde gegen mich manipuliert, gelogen und gefälscht. Meine Ankläger nannten mich einen Mörder, Kriegsverbrecher und Lügner. Ohne Gnade wurde ich Tag um Tag zu Ereignissen verhört, die sich vor vierzig und mehr Jahren abgespielt haben.

Oftmals mußte ich um der Wahrheit willen sagen, daß ich mich an etwas nicht erinnern kann, oder daß ich es nicht weiß. Meine Ankläger kamen mit immer neuen Vorwürfen und haben immer wieder Beweise versprochen. Aber, die Beweise kamen nicht. Sie, meine Mitbürger, haben mir vertraut und haben mich am Ende dieser bitteren Wochen in das hohe Amt des Bundespräsidenten unserer Republik berufen.

Ich war damals ein junger Mann von kaum zwanzig Jahren. 1938, wenige Tage vor Hitlers Einmarsch in Österreich, war ich noch an verzweifelten Aktionen beteiligt, mit denen wir uns gegen den Anschluß wehrten. Dann kam das, was ich vor zwei Jahren mißverständlich als Pflichterfüllung bezeichnet habe: Ich wurde in Hitlers Wehrmacht eingezogen. Man muß das ohne Illusion und in aller Wahrheit sehen: Es gab nicht viele Möglichkeiten, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. In der NS-Diktatur hatten Hunderttausende und schließlich Millionen keine andere Möglichkeit.

Ich habe großen Respekt vor den Helden und Märtyrern dieser Zeit. Aber sie waren eben, wie immer in der Geschichte, nur einige wenige. Wir anderen in meiner Generation sind in der Maschinerie des Krieges untergegangen, in Angst und dem Bemühen zu überleben.

Meine Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Sie können an meinem Lebensweg seit 1945 messen, ob ich die bittere Lehrzeit des Krieges bestanden habe oder nicht. Sie können selbst beurteilen, ob Ihr Bundespräsident der junge Leutnant ist oder gar das Zerrbild dieses Offiziers der Wehrmacht – oder ob Ihr Bundespräsident ein Mann ist, der Jahrzehnte seines Lebens für Gerechtigkeit, Toleranz und Frieden gearbeitet hat. Ich bitte Sie, bilden Sie sich selbst das Urteil.Meine Österreicherinnen und Österreicher!

Im Zuge der neuerlichen Diskussion wurde auch die Frage nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt des Bundespräsidenten gestellt. Ich möchte hiezu in aller Klarheit Stellung nehmen: Sie, meine lieben Österreicherinnen und Österreicher, haben mich mit überzeugender Mehrheit in geheimer und direkter Wahl für sechs Jahre zum Bundespräsidenten gewählt. Damit ist es nicht mehr die Sache des Menschen Kurt Waldheim. Ich selbst habe mich in den letzten zwei Jahren angesichts der Verleumdungen oftmals gefragt, ob ich das alles weitertragen soll.

Es ist ein Grundprinzip unserer Demokratie, daß man Wahlergebnisse nicht nachträglich korrigieren kann. Es ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit und der Fairness gegenüber der Person sowie des Respekts vor dem höchsten Amt im Staat. Vor Verleumdungen, gehässigen Demonstrationen und Pauschalverurteilungen darf ein Staatsoberhaupt nicht weichen. Wir wollen doch nicht, daß solche Methoden bei einer anderen Gelegenheit gegen andere demokratische Institutionen zur Anwendung kommen. Gefährden wir nicht die Selbstachtung und das Selbstbewußtsein unseres Staates! Es geht um den Glauben an unser Vaterland.

Über eines darf auch kein Zweifel bestehen: Nur wenn in Österreich selbst die Polemiken aufhören, können wir auch im Ausland eine Beruhigung der Debatte erwarten. Ich appelliere daher an alle Österreicher, insbesondere an alle politisch Verantwortlichen unserer Heimat, nicht Öl ins Feuer zu gießen, und die Staatsinteressen vor parteiliche Interessen zu stellen. Das Staatsbewußtsein muß immer stärker sein als das, was uns trennen mag.

Meine lieben Landsleute!

Sie können mir vertrauen, so wie Sie mir vor zwei Jahren vertraut haben, als Sie mich zum Bundespräsidenten gewählt haben. Nicht jene dürfen sich durchsetzen, die Intoleranz und Zwietracht verbreiten, sondern die große Mehrheit derjenigen, denen es um unsere Heimat, um unser gemeinsames Österreich geht. Wenn wir das wollen, werden wir es gemeinsam schaffen und können mit neuer Kraft die Zukunft gestalten.“

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