: „Meine Gegner waren meistens Jungs“
FRAUENFUSSBALL Die Nationalspielerin Maysa Ziad Mahmoud Jbarah über die Probleme, als Frau in Jordanien Fußballprofi zu sein, und warum der Sport in ihrem Land keine Zukunft hat
■ ist Gründungsmitglied der jordanischen Nationalmannschaft und aktive Spielerin im Amman Club. Die Stürmerin trägt die Rückennummer Elf und war in drei aufeinander folgenden Jahren Torschützenkönigin der Westasienmeisterschaft. Neben dem Fußball studiert die Zwanzigjährige an der Universität der jordanischen Hauptstadt Amman BWL.
VON KERSTIN GRIESSMEIER
taz: Frau Jbarah, gegen welches Team würden Sie gerne einmal spielen?
Maysa Ziad Mahmoud Jbarah: Gegen eines der Teams aus der deutschen Bundesliga. Die deutschen Clubs sind stark und ich habe schon viel über sie gehört.
Männer oder Frauenteam?
Frauen natürlich!
Wie würden Sie reagieren, wenn Sie ein Angebot von einem europäischen Fußballverein bekommen würden?
Ich würde sofort unterschreiben und mich geehrt fühlen! Im Vergleich zu Jordanien trainieren die europäischen Teams viel effektiver. Wenn ich eine Zeit lang hier spielen würde, könnte ich jede Menge Erfahrungen sammeln und meine Technik verbessern.
Sind Sie unzufrieden mit dem Frauenfußball in Jordanien?
Ich glaube, in Jordanien hat Frauenfußball keine Zukunft. Obwohl wir gerade erst angefangen haben. Unser Team gibt es erst seit 2005. Ich bin von Anfang an dabei und habe feststellen müssen, dass sich seit der Gründung rein gar nichts verändert hat. Unser Training ist gleichgeblieben und ich sehe kaum Verbesserungen.
Wie sind Sie zum Fußballspielen gekommen?
Ich habe vor neun Jahren in der Schule mit dem Kicken angefangen. Meine Gegner waren meistens Jungs, meine Freundinnen konnten sich nicht so für Fußball begeistern. Auf der Straße vor unserem Haus spielte ich zusammen mit meinen Brüdern und dessen Kumpel. Weil ich ziemlich gut war, bekam ich ein Stipendium und kam zum Team von Amman Club, wo ich auch heute noch aktiv bin. Wir sind eines der beiden erfolgreichsten Frauenteams des Landes. Als sich 2005 die Nationalmannschaft formierte, wurde ich dort Stürmerin.
Gibt es große Unterschiede zwischen Jordanien und dem Fußballspielen in Europa?
Ja, das Zusammenspiel. Beim Turnier hier in Leipzig habe ich erst wieder festgestellt, dass die europäischen Teams in dieser Hinsicht viel disziplinierter sind. Das heißt nicht, dass die einzelnen Spielerinnen besser sind, in meiner Mannschaft haben wir auch sehr große Talente, aber wir sprechen während des Spiels einfach zu viel. Ständig gibt es Streit oder die Spielerinnen fangen an, die Gegnerinnen zu beleidigen, vor allem wenn wir gegen andere arabische Teams spielen.
Und die Unterschiede fernab des Rasens?
In Jordanien haben viele Fußballerinnen dasselbe Problem wie in allen arabischen Ländern. In erster Linie wird von ihnen erwartet, dass sie ihren Pflichten im Haushalt nachkommen. Zum Glück betrifft mich das nicht. Ich wohne zwar mit meinen Geschwistern noch zu Hause bei meinen Eltern in Amman, im Haushalt muss ich jedoch überhaupt nichts machen.
Was sagt Ihre Familie zu Ihrer Sportkarriere?
Die steht voll hinter mir. Meine Eltern sind wirklich stolz darauf, dass ich so erfolgreich bin. Meine Brüder sind auch Hobbyfußballer, ich bin jedoch die Einzige, die eine Profikarriere einschlug. Inzwischen sieht es meine Familie allerdings lieber, wenn ich in einem Verein spiele, statt mit den Kumpeln meiner Brüder auf der Straße.
Ist es etwas Besonderes, dass Ihre Familie so hinter Ihnen steht, oder werden alle Ihre Teamkolleginnen derart von der Verwandtschaft unterstützt?
Es ist nicht so, dass jordanische Frauen alle Heimchen am Herd sind, die sich zu Hause verstecken müssen. Unsere Gesellschaft ist sehr offen und frei, und wir orientieren uns am Westen. Meine Mitspielerinnen, kommen allerdings aus völlig unterschiedlichen Familien und nicht alle Eltern sind so liberal wie meine. Das merke ich zum Beispiel dann, wenn ich nach dem Training bei Amman Club mit meinen Teamkolleginnen noch gemeinsam ausgehen oder einfach ein bisschen reden möchte. Manche Eltern rufen dann ständig auf dem Handy ihrer Töchter an, um zu fragen, wo sie denn bleiben, und sie aufzufordern, sofort nach Hause zu gehen.
Leben denn alle Nationalspielerinnen noch bei ihren Eltern?
Alle 15 Nationalspielerinnen studieren an der Universität von Amman. Die meisten von uns wohnen noch bei den Eltern, einige sind aber auch verheiratet.
Was sagen die weniger liberalen Familien dazu, wenn Ihr Team im Ausland spielt und die Töchter dorthin reisen sollen?
Das wird manchmal zum Problem. Gerade mit der Nationalmannschaft müssen wir häufig ins Ausland. Nächste Woche etwa fliegen wir nach Bangkok. Es kommt durchaus vor, dass unsere Manager sich dann einschalten. Sie sprechen mit den Familien und versuchen, sie zu überreden, ihre Töchter fahren zu lassen. Aber wenn die Familie sagt, „du fährst nicht“, dann fährst du auch nicht – egal, wie viel Talent du hast.
Spielen religiöse Argumente dabei eine Rolle?
In der Nationalmannschaft haben wir vier Spielerinnen, die mit Hidschab, also mit Kopftuch und langen, weiten Jogginghosen spielen. In dieser Kleidung ist es viel anstrengender, Fußball zu spielen, weil man viel mehr schwitzt. Es gibt Geistliche, die diese Fußballerinnen kritisieren und sagen, „wenn eine Frau den Hidschab trägt, dann gehört es sich nicht, dass sie vor Publikum über einen Fußballplatz rennt“.
Verunsichert solche Kritik Ihre Mitspielerinnen mit Hidschab?
Nein, überhaupt nicht. Sie spielen einfach.
Ist Frauenfußball in Jordanien populär?
Es ist schon etwas besser geworden. Noch vor wenigen Jahren hielten mich die meisten Leute für ein bisschen sonderbar, wenn ich sagte, ich sei Profifußballerin. Sie dachten, dass es ein rauer Sport für Männer sei und es sich für Frauen nicht gehöre, öffentlich zu spielen – und zu streiten oder zu kämpfen. Inzwischen ist die Akzeptanz aber gewachsen, vor allem, weil immer wieder Zeitungen und auch einige Fernsehsender über uns und unsere Erfolge berichtet haben. Manche Journalisten rufen mich fast täglich an, und immer wieder werde ich auf der Straße erkannt und die Reaktionen sind dann sehr positiv. Schlechte Erfahrungen habe ich schon lange nicht mehr gemacht.
Kommen diese Fans auch zu Ihnen ins Stadion oder spielen Sie vor leeren Rängen?
■ Jordanien: Die erste Liga besteht aus zehn Plätzen. Die Saison begann am vergangenen Freitag. Die Nationalmannschaft der Frauen ist deutlich erfolgreicher als ihr männliches Pendant: Sie liegen auf Platz 51 der Weltrangliste, im asiatischen Vergleich sind sie die Nummer zwölf und bei den Meisterschaften der arabischen Ländern sind sie die Nummer eins.
■ Turniere: Die zehnte Fußball-Europameisterschaft der Frauen wird in der Zeit vom 23. August bis zum 10. September 2009 in Finnland stattfinden. Erstmals werden zwölf statt wie bisher acht Mannschaften am Turnier teilnehmen. 2011 findet die Fifa-Fußballweltmeisterschaft der Frauen statt. Sie wird in Deutschland ausgetragen.
Die Zuschauerzahlen im Stadion sind ebenfalls in den letzten Jahren gestiegen. Man kann das zwar nicht mit den Verhältnissen in Europa vergleichen, aber wir haben oft etwa 500 Fans im Stadion. Die treuesten Fans sind allerdings nach wie vor Familienangehörige von uns Spielerinnen.
Können Sie vom Fußballspielen leben?
Nicht wirklich. Als professionelle Spielerinnen bekommen wir zwar Geld, das ist allerdings mehr ein Taschengeld. Pro Training erhalten wir umgerechnet elf Euro. Zum Leben reicht das nicht. Neben dem Profifußball studiere ich Betriebswirtschaft an der Universität in Amman und werde finanziell von meinen Eltern unterstützt.
Sie schaffen es, neben der Arbeit für die Nationalmannschaft und dem regelmäßigen Training für Amman Club noch zu studieren?
Mein Studium bleibt derzeit ziemlich auf der Strecke. Ich kann oft nicht am Unterricht teilnehmen, weil wir ins Ausland fliegen oder vor Meisterschaften und Turnieren fast ohne Pausen trainieren. Mittlerweile bin ich eigentlich im dritten Studienjahr, liege aber mit dem Stoff fast zwei Jahre zurück. Immer wieder müssen Vertreter der Nationalmannschaft sich an meine Professoren und Dozenten wenden, um mir einen Aufschub zu verschaffen.
Was müsste sich in Jordanien verändern, damit Ihre Sportart dort eine Zukunft bekommt?
Wir brauchen dringend noch mehr Aufmerksamkeit durch die Medien, vor allem durch das Fernsehen. Über uns wurde zwar häufig in den Zeitungen berichtet, aber es gibt bei uns viele Menschen, die keine Zeitungen lesen. Das Fernsehen berichtet neben europäischem Fußball vor allem über unser Männerteam, obwohl die viel schlechter spielen: Wir liegen auf Platz 51 der Weltrangliste, die Männer irgendwo jenseits der Hundert.
Woran liegt Ihrer Meinung nach die gesteigerte Aufmerksamkeit, mit der das Männerteam bedacht wird?
Einfach daran, dass sie Männer sind.
Sicher ist nicht jeder Mann in Jordanien begeistert, wenn seine Frau in Shorts vor Publikum Tore schießt. Glauben Sie, dass Sie für einen Mann oder für die eigene Familie mit dem Fußballspielen aufhören?
Nein, ich werde damit niemals aufhören. Fußball ist mein Leben, ich liebe diesen Sport.