: Mein Teddy und ich -betr.: "Freunde für's ganze Leben", taz vom 27.11.93
Betr.: „Freunde für's ganze Leben“, taz vom 27.11.93
Lieber Jochen Grabler, ganz deutlich spürt man, daß auch in Ihrer Brust ein beinahe väterlich zu nennendes Herz schlägt, dem all die Scheußlichkeiten, ein gequältes Bärenbrummen abnötigen. Ja, Bären werden schnauzenmäßig nicht nur zur Sau, sondern in ihrer Anfühlbarkeit oft genug zur Schnecke gemacht. Die Einmaligkeit ihrer Gesichter wird durch plastikene Gesichtsteile uniformiert, die Augen, in denen sich sonst unser eigenes Leid ebenso einfühlsam widerspiegelt wie unsere Freude, quellen basedowhaft hervor, weil der Schöpfer jener bäroiden Unkreaturen die Kunst des genialen Quer-durch-den-Kopf-Einfädelns nicht mehr beherrschte. Über das pfiffige Wechselspiel der Scheiben an den Gelenken möchte ich erst gar nicht reden, da herrscht namenloses Elend!
Und dennoch habe ich zwei Punkte, in denen ich mit Ihnen, lieber Bärenfreund, nicht konform gehe: unsere kleinen Freunde reflektieren nämlich in starkem Maße unsere eigenen Erinnerungen, das heißt, wenn unser alter, abgeschabter und von unseren Kindertränen korodierter Teddy ein meliertes Fell hatte, dann gehört eben ein solches von da an fest zu unserem Teddybild. War es hingegen unifarben, dann gilt das Gleiche. Also mit „ultimativ meliert“ ist nicht! Und was die Kleidung angeht, so erspare ich meinem Teddy alles, was ich nicht selbst tragen würde.
Wenn meine Frau mir Kleidung schneidert, dann sieht sie immer zu, daß sie eine verkleinerte Version davon für Teddy fertigt, wie beispielsweise die Weste und die Fliege auf dem Foto. Dazu möchte ich noch anmerken, daß ich Lehrer bin und das Teddyfoto mich mithin in Berufspose darstellt. Wann immer meine Frau und ich einen neuen Teddy erschaffen: er hat alle charakteristischen Stärken meines Teddys aus Kindertagen, und dennoch hat jeder einzelne Teddy seine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit. In der Tat: Was wäre gewesen, wenn unser Teddy nicht gewesen wäre? Mit bärigen Grüßen
Hans-Karl Vent
Hans-Karl Vent
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen