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Archiv-Artikel

Mein Dorf, meine Windmühlen

Wind gibt es genug für alle im Emsland. Doch nicht jeder darf auf seinem Grundstück auch ein Windkraftwerk bauen. Das darf vor allem ein findiger Bürgermeister, der sich einen Flächennutzungsplan auf den Leib schneidern ließ

Die geprellten Bauern sehen hinter alldem den „Filz des Bürgermeisters“

Aus DörpenChristian Ehlers

Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln, heißt es – in Dörpen im Emsland aber ist das anders: Hier zählt, wer Windkrafträder auf seinem Grundstück aufstellen darf und wer Macht hat. Das ist vor allem Samtgemeinde-Bürgermeister Johann Franzen (CDU).

Spätestens seit die Stromnetz-Betreiber den Ökostrom-Produzenten laut Gesetz rund neun Cent pro Kilowattstunde zahlen müssen, sind die Rotoren im windgesegneten Emsland eine lohnende Investition. Das wollen sich auch die ansonsten gar nicht grünen Bauern in der 4.000-Einwohner-Gemeinde Dörpen zunutze machen. Nur: Darauf, dass überall einzelne Windkraftanlagen aus dem Boden schießen, war die Gemeinde schon Mitte der 90er-Jahre nicht besonders scharf. Um den Wildwuchs zu verhindern, plante sie ein so genanntes Vorranggebiet. Nur dort sollten künftig noch Windräder errichtet werden dürfen.

Johann Franzen jedoch, damals Bürgermeister, Samtgemeinde-Bürgermeister, Kreistagsabgeordneter und Bauernvertreter im Amt für Agrarstruktur, kam den Plänen seiner eigenen Gemeinde zuvor. Noch bevor das Vorranggebiet ausgewiesen war, sicherte er sich Baugenehmigungen für Windkraftanlagen auf seinem eigenen Acker. Ergebnis: Die Gemeinde wies genau dort noch eine zweite Sonderfläche aus. „Bürgermeister-Windpark“ sagen dazu jetzt die Dörpener. Und alle, die keine Rotoren bauen durften, sind sich einig: „Ein klarer Fall von Klüngel.“

Dieser Ansicht schloss sich auch das Verwaltungsgericht in Osnabrück an. Ein Nachbar von Franzen, dem die Baugenehmigung für ein Windrad verweigert worden war, hatte nämlich Klage eingereicht – mit Erfolg. Sein Bauvorhaben sei zulässig, urteilten die Richter: Die Gemeinde habe die Begrenzungen des Windparks am Bürgermeister-Standort „willkürlich“ festgelegt und müsse daher den Windkraft-Flächenplan erneut erstellen.

Im Dorf löste die Nachricht einen Windkraft-Boom aus. Innerhalb weniger Tage trudelten 40 weitere Bauvoranfragen für Rotoren bei Gemeinde und Landkreis ein.

Diesmal jedoch mahlten die Mühlen der Verwaltung langsamer. Der Landkreis Emsland in Meppen entschied über die Anträge erst, als der neue Plan rechtskräftig geworden war. Platz für mehr Windkraftanlagen sieht der jedoch nicht vor: Der neue Plan ist nämlich ganz der alte. Lediglich die Begründung für die eng umgrenzte Vorrangfläche wurde juristisch wasserdicht gemacht. „Es können im Moment keine neuen Windräder gebaut werden“, bestätigt der stellvertretende Samtgemeindedirektor Hans Hansen.

Die Bauvoranfragen der Bauern wies der Landkreis daraufhin kostenpflichtig zurück – ein „ganz normaler Vorgang“, wie man dort betont. Wenn der Flächennutzungsplan vom Gericht außer Kraft gesetzt werde, „kann die Übergangszeit nicht von einzelnen Bürgern genutzt werden, um einen Wildwuchs zu starten“, rechtfertigt Landrat Hermann Bröring (CDU) das Vorgehen seiner Behörde. Die um ihre Strom-Ernte geprellten Landwirte indes sehen hinter alldem „den Filz des Herrn Bürgermeister“.