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Archiv-Artikel

Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Berlin hat einen neuen Künstler, respektive eine neue Künstlerin. Was eigentlich niemandem aufgefallen wäre bei der Masse an Kreativen in der Stadt. Das Ding ist nur, er oder sie muss auf einer exponierten Stelle beim Senat sitzen. Der Name ist unbekannt, nennen wir ihn – den Menschen – daher Senator Anonymus (SA). SA hat die Gewalt über die Berliner Absperrgitter, die er chaotisch wie inspirierend auf Straßen und Wegen arrangiert. Ob Tiergarten oder Moritzplatz, das momentane Highlight findet sich auf der Adalbertstraße, wo SA auf einen Bürgersteig zwischen Oranienstraße und Kottbusser Tor ein schier unüberschaubares Labyrinth aus Buchten und Gängen bauen ließ. Diese Fragmentierung von Lebensraum ist einzigartig, etwa wenn die Bushaltstelle des M 140 kaum mehr zugänglich ist, außer man klettert über Gitter oder quetscht sich mühselig an ihnen vorbei. Ein aussichtsloses Unterfangen mit prall gefüllten Einkaufstaschen. Handelt es sich also um ein antikapitalistisches Statement im Herzen von Kreuzberg? Vielleicht ist der Senator Anonymus aber auch nur ein Sparfuchs und die Einlagerung der Gitter so teuer, dass er sie im Straßenbild verdichtet? Humorvoll ist die Aktion, solange man kein Handicap mit sich bringt. Dann muss auf den gegenüberliegenden barrierefreien Bürgersteig ausgewichen werden. So erscheint Olaf Metzels „Randale-Denkmal“, ein aus Absperrgittern montierter Turm, der 1987 als Teil des Skulpturenboulevards auf dem Kurfürstendamm installiert und alsbald von dort verbannt wurde, wie ein Vorreiter eines künstlerischen Protests, der 23 Jahre später in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Das Bild einer Klassengesellschaft, losgelöst von religiösen oder transnationalen Ansichten, liegt hier immerhin nahe. Oder ist es doch nur ein Panikraum der beschleunigten Kommunikationsgesellschaft?

■ Zurzeit: Adalbertstraße zwischen Oranienstraße und Kottbusser Tor und an wechselnden Orten

■ Olaf Metzel: „Randale-Denkmal“; Universalgelände, Stralauer Allee 1