■ Der Maastricht-Vertrag darf kein Männervertrag bleiben: Mehr als unverbindliche Forderungen
Wenn aus der Wirtschaftsunion endlich die von vielen erhoffte Sozialunion werden soll, wie auf dem gerade zu Ende gegangen EU-Gipfel in Turin mehrfach gefordert, dürfen die Rechte von Frauen nicht länger außen vor bleiben. Im letzten Jahr hatte der Europäische Rat in Madrid neben dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit die Gleichstellung von Frau und Mann als vorrangige Aufgabe der EU und ihrer Mitgliedstaaten bekräftigt. Frauenministerin Nolte schloß sich dem pünktlich zum Frauentag an, forderte aber nur, „die Beratungen in Turin dazu zu nutzen, den Gleichberechtigungsgedanken in der EU stärker zu betonen“. Mit dieser unverbindlichen Forderung werden Frauen aber keinen Schritt weiterkommen.
Statt dessen müssen bei der Reform des Maastrichter Vertrags endlich Rechtsgrundlagen für eine effiziente Frauenförderpolitik geschaffen werden. Es mutet schon merkwürdig an, daß die EU immerhin für den Katastrophenschutz zuständig werden soll, an Frauenpolitik als Gemeinschaftsaufgabe bisher aber noch nicht gedacht wurde. Unabdingbar ist es deshalb, im EU-Vertrag die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verankern und festzuschreiben, daß sie Bestandteil aller Gemeinschaftspolitiken ist. Weiterhin muß es ein Diskriminierungsverbot als Grundrecht geben, das unter anderem auch das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung umfaßt.
Antidiskriminierung und Frauenförderung gehören zusammen. Deshalb brauchen wir dringend Vertragsbestimmungen, die sicherstellen, daß positive Fördermaßnahmen für Frauen einschließlich wirksamer Quotenregelungen nicht als Diskriminierung im Sinne des europäischen Rechts anzusehen sind. Ein Urteil, wie das des Europäischen Gerichtshofes im Fall Kalanke, mit dem die Quote des Bremer Gleichstellungsgesetzes gekippt wurde, wäre dann nicht mehr möglich. Es geht nicht an, daß Regelungen zum Schutz von Frauen in Abwehrrechte von Männern uminterpretiert werden. Außerdem müssen am Europäischen Gerichtshof künftig Richter und Richterinnen paritätisch vertreten sein. An qualifizierten Juristinnen mangelt es auf jeden Fall nicht.
Es waren gerade die Frauen, die Europa die kalte Schulter zeigten und ihre Bedenken vorgetragen haben. Sollte es ihnen nicht leichter fallen, dieses Europa zu akzeptieren, wenn sie entsprechende Rechte in Europa besitzen? Irmingard Schewe-Gerigk
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