: Mehr als ein Parkhaus für Räder
Die Radstation am Kölner Hauptbahnhof, wegen des U-Bahn-Baus zurzeit schwer zugänglich, bietet Service und lernt Langzeitarbeitslose an. In einem Projekt werden „schulmüde“ Jugendliche betreut
Von Christiane Martin
Klaus Rölsch und seine Frau sind aus dem Münsterland zu Besuch in Köln. Ihr Wohnmobil steht auf dem Campingplatz in Rodenkirchen. Den Weg in die Innenstadt haben sie mit ihren Fahrrädern zurückgelegt, die sie nun, bevor sie Dom und Altstadt besichtigen, im Fahrradparkhaus der Radstation unterstellen wollen. „Da wissen wir sicher, dass die Räder auch noch da sind, wenn wir wiederkommen“, erklären sie. Rein zufällig waren sie auf die Hinweisschilder zur Radstation gestoßen und freuen sich über die diebstahlsichere Abstellmöglichkeit.
Seit 1995 fördert das Land NRW mit dem Programm „100 Radstationen in NRW“ die Errichtung von bewachten Fahrrad-Parkhäusern an Bahnhöfen. Mittlerweile gibt es in NRW 51 solcher Stationen, die Fahrrad-Parkplätze und zusätzliche Dienstleistungen rund ums Rad anbieten. Am Kölner Hauptbahnhof wurde die Radstation im November 2003 eröffnet.
Heute, nach fast einem Jahr, zieht der Betreiber, der katholische Jugendhilfeverband In Via, eine positive Bilanz. „Wir haben zwar am Ende des ersten Betriebsjahres statt der geplanten Auslastung der Parkplätze von 42 Prozent nur 30 Prozent erreicht. Dafür hat sich der von uns angebotene Reparaturservice viel besser entwickelt als erwartet“, resümiert der Projektleiter Ralf Krone und widerspricht Gerüchten, denen zufolge die Radstation um ihre Existenz fürchten müsste. „Wir bekommen momentan jeden Monat zehn neue Dauerkunden dazu. Wenn das so weitergeht, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen“, erklärt Krone.
Roland Schüler vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht das allerdings etwas anders. Die Großbaustelle der Nord-Süd-U-Bahn erschwert seit Monaten die Zufahrt zur Radstation. Für Schüler ein für die Nutzer der Radstation unzumutbarer Zustand, der sich seiner Meinung nach auch negativ auf die Auslastung der Radstation auswirke. „Um zur Radstation zu kommen, muss man sich nicht nur durch ein Gewirr von Bauzäunen kämpfen, sondern zum Schluss auch noch über einen Bordstein fahren“, beklagt er. Die dafür zuständige Stadtverwaltung wisse längst Bescheid, aber nichts passiere.
Service für Radfahrer
„Das kostet Geld, das die Stadt nicht hat“, erklärt dazu der Fahrradbeauftragte der Stadt Köln Thorsten Claußen. Er will sich des Bordsteinproblems umgehend annehmen und hofft auf eine schnelle Lösung. „Schließlich sind wir auch daran interessiert, dass die Radstation gut läuft“, sagt er – wie es sich für einen Fahrradbeauftragten gehört.
Eine positive Entwicklung ist der Radstation aber nicht nur zu wünschen, weil sie einen guten Service für Kölns Fahrradfahrer bietet, sondern auch weil hier Langzeitarbeitslose einen neuen Einstieg ins Berufsleben und die Möglichkeit zur Qualifizierung bekommen. Zurzeit arbeiten hier sechs ABM-Kräfte, im Parkhaus als Wachpersonal oder in der Werkstatt unter Anleitung eines ausgebildeten Mechaniker-Meisters. Außerdem werden gemeinsam mit dem ebenfalls von In Via getragenen Projekt „Rat-Laden“ bis zu acht Jugendliche, die sich weigern zur Schule zu gehen, täglich fünfeinhalb Stunden betreut.
Keine Fehlstunden
An zwei bis drei Vormittagen in der Woche kommen die „Schulmüden“ in die Radstation. In der restlichen Zeit werden sie unterrichtet, kochen und essen gemeinsam. „Das sind keine Blaumacher. Hinter der Schulverweigerung steckt meist große seelische Not“, erzählt Krone. Durch die Arbeit in der Radstation könnten die Jugendlichen wieder Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit lernen. Ein kaputtes Fahrrad zu reparieren und dann zu erleben, dass es wieder fährt, sei ein elementares Erlebnis für seine Schützlinge. Auf diese Art habe beispielsweise der heute 15-jährige Alex (Name geändert) eine Stabilität gefunden, die vorher in seinem Leben fehlte.
Seit er zwölf Jahre alt war, war Alex nicht mehr zur Schule gegangen – aus Angst vor Mitschülern, die ihn regelmäßig verprügelten. Das Schulamt hatte sich schließlich an In Via gewendet. Zunächst wurde Alex' Familie zwei Monate lang beraten und betreut, dann Alex in das Rat-Laden-Projekt aufgenommen. „Bis heute hat Alex keinen Tag gefehlt“, freut sich Krone über den Erfolg seiner Arbeit.