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Mehr SteuereinnahmenAlles für die Konsolidierung

Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) freut sich über sprudelnde Steuereinnahmen. Statt Wahlversprechen zu finanzieren, will er dennoch eisern sparen.

Schwimmt in Schulden: Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Bild: dpa

Peter Tschentscher (SPD) hält Kurs. Trotz unerwartet hoher Steuereinnahmen will der Finanzsenator im Wissenschaftsetat oder bei den Ein-Euro-Jobs nicht nachbessern und auch die SPD-Wahlversprechen nicht aus den Mehreinnahmen finanzieren. Das kündigte Tschentscher bei der Präsentation der Mai-Steuerschätzung an, die höher ausfällt, als selbst Optimisten es erwartet hatten.

Danach kann Hamburg allein für 2011 mit 673 Millionen Steuereuro mehr rechnen als noch im gültigen Haushaltsplan vorgesehen. Für die kommenden Jahre fällt das prognostizierte Steuerplus noch höher aus: 689 Millionen Euro schlagen für 2012 zu Buche, 2013 sind es 746 Millionen, 2014 gar 772 Millionen Euro. Insgesamt wird Hamburg so 2,88 Milliarden Euro mehr einnehmen als bislang veranschlagt.

Geld, das Tschentscher "ausschließlich dafür nutzen" will, den Hamburger Haushalt zu sanieren. "Wir schwimmen nicht in Geld, sondern in Schulden", betont der Senator mit Blick auf die von Hamburg aufgenommenen Darlehen in Höhe von knapp 25 Milliarden Euro.

Zudem soll das durch die HSH-Nordbank-Krise entstandene Finanzloch im Hamburgischen Versorgungsfond in Höhe von 710 Millionen Euro durch die Zusatzeinnahmen vollständig gestopft werden.

Auch ein 200-Millionen-Euro-Wohnungsbaudarlehen vom Bund soll noch 2012 komplett abgelöst werden, die Nettoneuverschuldung noch in diesem Jahr von geplant 758 auf 650 Millionen abgesenkt und 2012 gar auf 600 Millionen Euro reduziert werden. Zudem werden durch das Steuerplus die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich dramatisch anschwellen: Von 88 Millionen Euro für 2010 über 135 Millionen Euro im laufenden auf rund 200 Millionen Euro im kommenden Jahr.

Da Tschentscher keinen einzigen Cent der Mehreinnahmen für die Streichung der Studiengebühren oder Rücknahme der Kürzungen im Uni-Haushalt ausgeben will, bleiben hier Finanzierungslöcher, die durch Einsparungen ausgeglichen werden müssen. Die gerade ausgehandelte Teilrücknahme der Streichungen beim Weihnachtsgeld und den Tarifsteigerungen für Beamte, die Hamburg rund 100 Millionen Euro pro Jahr kostet, ist laut Tschentscher zur Hälfte schon "in den aktuellen Haushaltsentwurf eingepreist". Zur anderen Hälfte soll sie aus Reserven entnommen werden.

Dass nach Auskunft Tschentschers höhere Staatsbeamte auf ihr Weihnachtsgeld zukünftig ganz verzichten müssen, Hochschulprofessoren, Richter und Staatsanwälte aber Weihnachtsgeld erhalten, ist jedoch juristisch brisant: Die Regelung könnte gegen das Gleichheitsgebot verstoßen.

Kritik an dem Sparkonzept des Senators kam aus den Reihen der Opposition. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich (CDU) beklagte, dass die SPD "trotz eines neuen Steuerrekords in 2012 keine klaren Antworten präsentiere, wie sie ihre Wahlversprechen finanzieren wolle".

Der Haushaltsexperte der Linken, Joachim Bischoff, forderte "mindestens die Hälfte der Steuermehreinnahmen für die Beseitigung der unterfinanzierten Bereiche zu verwenden". Besonders bei der Sanierung von Schulen und Universitätsgebäuden, aber auch bei der finanziellen Ankurblung des sozialen Wohnungsbaus und dem Wegbrechen von Ein-Euro-Jobs gäbe es "unaufschiebbaren Handlungsbedarf".

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5 Kommentare

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  • KB
    Karl Bike

    .".......will der Finanzsenator im Wissenschaftsetat oder bei den Ein-Euro-Jobs nicht nachbessern und auch die SPD-Wahlversprechen nicht aus den Mehreinnahmen finanziere".

     

    Wer es glaubt wird selig..... Ich wette eur 100 dagegen

  • P
    Phillip

    @Oli: Naja, die CDU hat doch in erster Linie ausgegeben. Ich finde es ist eine zukunftsorientierte Politik, wenn man versucht, den Haushalt zu konsolidieren. Dass Bildung nicht direkt an die Ausgaben gekoppelt ist wird deutlich, wenn man sieht, dass in Hamburg zwar am meisten Geld pro Schüler ausgegeben wird, aber man dennoch keine Spitzenposition belegt.

    Aber: wenn nicht jedes Jahr Milliarden für Zinsen ausgegeben werden müssen, dann ist in der Zukunft plötzlich ein ganz anderer Haushalt möglich, dann übersteigen die Einkünfte die Ausgaben nämlich bei weitem und die Stadt wird wieder flexibler, weil sie über mehr als nur wenige Prozente ihres Haushaltes frei verfügen kann.

  • O
    Oli

    @Philip

    Sehe ich total anders. Die SPD hat doch mehr Ausgleich, mehr Beteiligung und Rücksicht auf den Bürger versprochen. Jetzt wird unkontrolliert und nicht-nachvollziehbar gespart und gleichzeitig kassiert die Partei wohl auch jetzt bereits erste Wahlversprechen (Sozialer Wohnungsbau, Förderung von Armen und Arbeitslosen).

    Für mich riecht dieser Senat nach SCHILL/CDU ... sorry

  • KN
    Kopf Nicker

    Wer Heute an der Bildung spart, verzichtet auf Mehreinnahmen in der Zukunft und verrät die jetzige und alle zukünftigen Studenten Generationen...

     

    Wer also kürzt und bloß seine Wahlversprechen bricht, überzeugt nicht gerade mit Intelligenz oder Kreativität um andere Finanzierungskonzepte auf die Beine zu stellen..."Hoffnung, wo bist du hin?"

     

    Mir wird schlecht, wenn sich dann Parteien bei 50% Wahlbeiteiligung noch als Sieger brüsten...alle sollten besorgt sein...es gibt keine Sieger mehr wenn immer weniger wählen gehen...vielleicht sollten alle mal drüber nachdenken woran das liegt...und handeln anstatt immer nur zu quatschen... Egal ob Grün, ob Gelb, ob rot oder schwarz, es lebe der politische Eiheitsbrei, oder gibt es etwa einen "politischen Schleier" oder gar "Polit. Illusion"?

  • P
    Phillip

    Super. Hoffentlich übt Scholz keinen Druck aus, wenn's hart auf hart kommt. Es ist sinnvoll, endlich etwas für die Haushaltskonsolidierung zu tun, damit nicht so viel Geld direkt für Zinsen herausgefeuert werden muss, Jahr für Jahr.