Mehr Sicherheitsüberprüfungen: Der gläserne Journalist
Sicherheitsüberprüfungen haben auch bei Journalisten seit 2001 zugenommen. Wie streng sie ausfallen, ist unterschiedlich und willkürlich.
Die taz hat es sich leicht gemacht, mag so manch ein Leser gedacht haben, als er in den vergangenen Tagen die Zeitung aufgeschlagen hat. Eine Leichtathletik-Weltmeisterschaft zu boykottieren - das kann sich die taz ja noch leisten. Doch wie sieht es mit den vielen politischen Veranstaltungen aus, bei denen Sicherheitschecks, wie sie nun bei der WM den Journalisten abverlangt werden, gang und gäbe sind?
Die taz hatte aufgrund der Akkreditierungspraxis für die am Freitag in Berlin beginnende Leichtathletik-WM beschlossen, nicht über die Wettkämpfe zu berichten. Denn um Zutritt zu den Pressekonferenzen und den Arbeitsräumen zu erhalten, sollten alle Journalisten eine "Einverständniserklärung zur Durchführung einer Sicherheitsprüfung" unterschreiben. Die zwei taz-Sportredakteure weigerten sich - die Akkreditierung wurde ihnen verweigert.
Nun ist auch in den Redaktionsräumen in der Rudi-Dutschke-Straße eine Debatte entbrannt, wie konsequent sich die taz selbst verhält. Denn vor allem für die taz-JournalistInnen aus den politischen Ressorts gehört es zum ganz normalen Prozedere, wenn sie etwa bei der Akkreditierung für einen G-8-Gipfel, eine Regierungspressekonferenz oder eine Veranstaltung der Bundeswehr nicht nur Name, Adresse und Personalausweisnummer angeben, sondern schriftlich einwilligen sollen, dass über sie ausführlich Auskunft bei den Sicherheitsbehörden eingeholt wird - und das, obwohl der Presseausweis an sich bereits garantiert, dass die Veranstalter es mit professionellen Journalisten zu tun haben.
Spätestens seit den Terroranschlägen von 2001 ist zu beobachten, wie sich auch hierzulande eine Kultur des Sicherheitswahns breitgemacht hat. Auch Journalisten sind dem immer stärker ausgesetzt.
Dieser Kontrollwahn trägt teilweise absurde Züge und gehorcht nicht unbedingt einer Logik. Für ihre Teilnahme an einer Journalistenreise der Bundeswehr nach Afghanistan wurde taz-Parlamentskorrespondentin Ulrike Winkelmann zum Beispiel dazu verpflichtet, neben den üblichen Daten auch eine "Kurzbeschreibung des Vorhabens im Einsatzland und geplante Veröffentlichung" mitzuliefern. Zudem musste sie unterschreiben, dass sie innerhalb von vier Wochen nach Rückkehr dem Einsatzkommando ein Belegexemplar des erstellten Textes zuschicken würde. Was sie auch angeben sollte: die Blutgruppe. Das wiederum erschien Winkelmann nachvollziehbar, "wenn man von der Bundeswehr schon nach Afghanistan mitgenommen und dort auch beschützt werden will".
Im Vergleich dazu macht es der Bundestag den Journalisten recht einfach. Wer sich für eine ganze Legislaturperiode dort akkreditieren will, also Zugang zum Pressebereich des Parlaments beantragt, muss einen fünfseitigen Antrag ausfüllen, berichtet Parlamentskorrespondent Matthias Lohre. Das Bundespresseamt leitet den ausgefüllten Antrag weiter ans Bundeskriminalamt (BKA) - tatsächlich auch zur "Überprüfung sicherheitsrelevanter Umstände", wie es im Formular offiziell heißt. Das Bundespresseamt habe ihm auch versichert, dass es dabei nur um die Frage gehe, ob gegen den Antragsteller Strafverfahren wegen schwerwiegender Delikte wie Mord laufen. "Nach der Überprüfung", so stehe es zumindest im Formular, "löscht das BKA die Daten" wieder.
Das Problem: Wer versichert ihm, ob die vom BKA zugestellten Daten auch tatsächlich stimmen? Zumindest bei der Akkreditierung für den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm wurde deutlich, dass die Sicherheitsbehörden auch nachweislich falsche Daten an das Bundespresseamt weiterleiten.
Dem Autor dieses Textes wurde die Akkreditierung zunächst verweigert, mit der Begründung, dass das Bundeskriminalamt Hinweise besitze, die den Sicherheitskriterien nicht entsprächen. Auf genaue Anfrage hin konnte oder wollte das BKA aber keine Auskünfte erteilen und verwies auf das Bundesamt für Verfassungsschutz. Am Ende stellte sich heraus, dass die Hinweise vom Verfassungsschutz in Niedersachsen stammten, wo der taz-Redakteur zwischen 1995 und 2001 studiert hatte. Nach mehrmaliger Anfrage wurde der taz daraufhin eine lange Liste von Veranstaltungen geschickt, die der Verdächtige angeblich besucht hatte. Sie reichte von Demonstrationen gegen Castortransporte über Uniseminare bis zu Presseterminen beim Taubenzuchtverein. Unter anderem waren auch Veranstaltungen aus dem Jahr 2002 aufgelistet. Dabei hatte er bereits 2001 Niedersachsen in Richtung Berlin verlassen.
Sicherlich lässt sich der Sicherheitswahn hierzulande noch toppen. So ist zum Beispiel die Washington-Korrespondentin der taz, Adrienne Woltersdorf, wie viele ihrer KollegInnen nicht mehr bereit, allen Pressekonferenzen der US-Bundesregierung beizuwohnen. Denn die Anmeldung - insbesondere bei Veranstaltungen des Pentagons - erweist sich als sehr aufwendig. So genügt es nicht, sich einmal den Sicherheitskontrollen zu unterziehen, berichtet Woltersdorf. Die AuslandskorrespondentInnen seien angehalten, den gleichen Antragswust immer wieder aufs Neue auszufüllen. Bis zu fünf Stunden Antragstellung und Wartezeit müssten die Auslandskorrespondenten für eine Pressekonferenz im Weißen Haus aufbringen, um anschließend US-Präsident Obama für ganze 30 Minuten live reden zu hören. Ein Fragerecht haben sie ohnehin nicht.
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