: Mehr Recht auf Schutz
Fünf Fragen zur künftigen Asylpolitik der Union
taz: Frau Gil Bazo, welche Bereiche der EU-Innenpolitik würden Sie in die so genannte erste Säule überführen, wo im Rat mehrheitlich abgestimmt wird und das Parlament mitentscheidet?
Maria-Teresa Gil Bazo: Schon im Amsterdamer Vertrag ist unser Anliegen erfüllt worden, die Asyl- und Flüchtlingspolitik in die erste Säule zu übernehmen. Allerdings möchten wir Änderungen im Text erreichen. Bislang kann die EU nur „Mindeststandards“ für die Lebensbedingungen in den Mitgliedsländern festlegen. Damit werden die Flüchtlinge nicht ausreichend geschützt. Wir möchten, dass die Verfassung Gundzüge einer gemeinschaftlichen Migrations- und Flüchtlingspolitik festlegt. Die EU-Kommission soll die Möglichkeit haben, das höchstmögliche Schutzniveau vorzugeben.
Können Sie Beispiele nennen, welche Bereiche dann geregelt würden?
Zum Beispiel das Recht von Asylbewerbern auf Ausbildung, medizinische Betreuung und Zugang zu Sozialleistungen müsste auf EU-Ebene geregelt werden. Die Mitgliedsländer haben monatelang über die Frage gestritten, ob Asylbewerber im Aufnahmeland arbeiten dürfen. Der Kommissionsvorschlag sah das vor. Auf deutsches Drängen hin ist diese Frage am Ende den Mitgliedsstaaten überlassen worden. Das finden wir gravierend, weil wir überzeugt sind, dass Asylsuchende ihre Ansprüche auf Schutz vor Verfolgung nur durchsetzen können, wenn sie eine Arbeitsgenehmigung im Aufnahmeland bekommen.
Was sollte der Konvent ändern, damit gute Ausgangsbedingungen für Flüchtlinge in der EU überall gleichermaßen garantiert werden?
Wir möchten, dass die Formulierung „Der Rat soll Mindeststandards für Flüchtlinge beschließen“ ersetzt wird durch: „Der Rat ist verpflichtet, gleichermaßen gute Lebensbedingungen für Flüchtlinge in der gesamten Union zu garantieren.“
Gibt es noch anderes, wo der Konvent Änderungen vornehmen sollte?
In dem Papier, das wir mit Statewatch im Konvent eingebracht haben, verlangen wir, dass in Asyl- und Migrationsfragen dasselbe Procedere gilt wie in anderen Rechtsbereichen. Derzeit kann nur die letzte Instanz dem Europäischen Gerichtshof eine Fall vorlegen – und sie ist nicht verpflichtet, das zu tun. Es müssen zunächst alle Instanzen abgewartet werden. In anderen juristischen Fragen kann jedes Gericht den EuGH bitten, die Sachlage zu prüfen.
Sind Sie optimistisch, dass der Konvent in den Fragen etwas ändert, die für Ihre Organisation wichtig sind?
Der Konvent kann nur Vorschläge machen, die am Ende von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden müssen. Seit Jahren zeigt sich die Tendenz, dass Fragen der Innen- und Justizpolitik mehr und mehr gemeinschaftlich geregelt werden. Allerdings gibt es wegen des wachsenden Flüchtlingsdrucks Bestrebungen, die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und Migranten in der EU zu verschlechtern. Zunehmend werden Handelsverträge mit Drittstaaten davon abhängig gemacht, dass die ihre Staatsbürger zurücknehmen – ohne zu fragen, was es für die Lebenssituation dieser Menschen bedeutet. INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER