: Mehr Platz für dolle Deerns in Kirchdorf
■ Mädchentreff bietet Raum, Beratung und jetzt auch Computer- und Elektronikkurse Von Stefanie Winter
Zwischen Autobahn und Weideland liegt Kirchdorf-Süd: ausschließlich Hochhäuser, kaum „soziale Infrastruktur“. Der Mädchentreff des Vereins Dolle Deerns bildet hier seit mehr als zehn Jahren eine Ausnahme. Seit gestern gilt deren Umzug von einer beengten Wohnung im Erlenring in neue, größere Räume gleich nebenan offiziell als vollbracht.
Auf jetzt 170 Quadratmetern erhalten Mädchen und junge Frauen aus der Umgebung nicht nur Gelegenheit, gemeinsam zu kochen und zu essen, Hausaufgaben zu erledigen und zu feiern. Anette Ponnath und Seylan Akgün, die beiden hauptamtlichen Ansprechpartnerinnen, beraten die Mädchen bei Problemen mit der Familie, in der Schule oder bei Gewalterfahrungen. Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungsarbeit ist es, die jungen Frauen beruflich zu begleiten, Praktikumsplätze zu suchen, auf Bewerbungsgespräche vorzubereiten und ihnen Berufsfelder vorzustellen, „auf die man sonst nicht so unbedingt kommt“.
Die Erkundung von Berufsfeldern beschränkte sich bislang auf „Berufsorientierungstage“, die extern organisiert wurden. In den neuen Räumen sind eine Holz- und Elektrowerkstatt, ein Fotolabor und ein Computerraum untergebracht; künftig werden hier regelmäßig Kurse angeboten. So werden neue Interessentinnen für den Mädchentreff gewonnen, erwartet Ponnath. Bislang treffen sich regelmäßig – allerdings nicht gleichzeitig – rund 100 Mädchen und junge Frauen; 50 weitere kommen eher sporadisch, fast alle schon seit Jahren .
Die Besucherinnen wohnen in ganz Wilhelmsburg und in Harburg, jahrelang sei eine junge Frau sogar aus Altona angereist. Mehr als die Hälfte ist türkischer Herkunft, die anderen stammen aus Ghana, Albanien, Deutschland, Chile, Bosnien und Afghanistan. „Multikulturell“ will Seylan Akgün die Gruppe nicht nennen. Im Mädchentreff werde antirassistisch gearbeitet – indem sich die Mädchen verstehen lernen und auch miteinander anfreunden.
Der Verein Dolle Deerns hat sich der „Förderung feministischer Mädchenarbeit“ verschrieben, auch wenn bei seiner Gründung befürchtet wurde, der Begriff „feministisch“ könne die Behörden verschrecken. Stadtentwicklungsbehörde und BAGS ließen sich jedoch nicht abhalten, neben anderen die Umbaukosten des neuen Domizils mitzutragen. Die Personalkosten – neben den zwei Festen mindestens vier Honorarkräfte – übernimmt das Bezirksamt Harburg.
Auch zu den Eltern der Mädchentreff-Besucherinnen sei der Kontakt gut. Sie wissen von keiner, deren Eltern den Besuch der Dollen Deerns verboten hätten, sagen Mitarbeiterinnen und Besucherinnen übereinstimmend. „Mädchentreff“, meint eine, die von Anfang an dabei ist, „klingt wohl einfach gut.“
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