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Archiv-Artikel

Mehr Fahrgäste fürs gleiche Geld

MOBILITÄT Verbraucherzentrale wirft Ländern ineffektive Mittelvergabe im Nahverkehr vor. Verkehrsverbände kontern: Dünn besiedelte Regionen dürfen nicht abgehängt werden

VON RICHARD ROTHER

Mehr Züge für das gleiche Geld: Der Verbraucherzentralen-Bundesverband (VZBV) wirft Bund und Ländern Verschwendung bei der Finanzierung des Schienennahverkehrs vor. „Es könnten etwa 20 Prozent mehr Fahrgäste im Schienenpersonennahverkehr befördert werden, wenn in den Bundesländern die Regionalisierungsmittel effektiv verwendet würden“, stellt der VZBV-Verkehrsexperte Holger Krawinkel in einer Studie fest.

Jährlich erhielten die Bundesländer etwa 7 Milliarden Euro vom Bund für den Schienenpersonenennahverkehr, so Krawinkel. „Die Verwendung dieser Mittel obliegt den Ländern und unterliegt bislang keiner Kontrolle.“

Als Hauptursache für Fehlsteuerungen gelte die Direktvergabe von Verkehrsleistungen an die Bahntochter DB Regio ohne Ausschreibung, wie dies in Berlin und Nordrhein-Westfalen geschehen sei, so Krawinkel. „Oft werden sogenannte Koppelgeschäfte vermutet, also zusätzliche Leistungen der Deutschen Bahn AG außerhalb des Schienenpersonennahverkehrs wie etwa die Erhaltung von Betriebsstätten der Bahn oder der Ausbau und die Elektrifizierung von Strecken.“ Auch deute vieles auf überhöhte Trassenentgelte für den Regionalverkehr hin, die DB Netz erhebe.

Zudem zementiere der auch aus Gründen der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse festgelegte Verteilungsschlüssel diese Fehlleistung. Übersetzt heißt das: In dünn besiedelten Regionen in Ostdeutschland, die nicht abgehängt werden sollen, fahren zu oft zu viele Züge, die vergleichsweise gering ausgelastet sind. So zahlen laut Krawinkel alle östlichen Bundesländer, aber auch das Saarland, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich viel Geld pro Reisendenkilometer. Bei diesem Vergleich stehen die Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg – viele Fahrgäste auf kurzen Strecken – besonders gut da; dicht dahinter rangieren Bayern und Baden-Württemberg.

Der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte diese Stoßrichtung der VZBV-Studie. „Wenn die Regionalisierungsmittel, wie vom VZBV gefordert, dort konzentriert würden, wo die Verkehrsnachfrage am höchsten und die Mittelverwendung am effizientesten ist, bedeutete das, weite Landstriche in Deutschland vom Schienenverkehr abzuhängen“, bemängelt VCD-Chef Michael Gehrmann. „Bundesmittel würden dann nur noch in Ballungsgebiete fließen.“

Auch die Allianz pro Schiene kritisierte die Studie. Dies neige zur Schwarz-Weiß-Malerei, so die Organisation. Fahrgastzahlen und Verkehrsleistung im Nahverkehr stiegen schneller als die Regionalisierungsmittel. Letztere blieben „ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge“.