Meerwasser wie Milch

Stefan Pfannmöller aus Halle holt mit eichenartigem Brustkorb und brutalem Krafteinsatz die Bronzemedaille im Kanuslalom. Die beiden deutschen Kajak-Damen scheitern im Finaldurchgang

AUS ATHEN ERIK EGGERS

Als Stefan Pfannmöller die Anzeigetafel erblickt, fließt sie wieder zurück in seinen Körper, diese unbändige Kraft: Der Sportsoldat aus Halle/Saale reißt seine Arme so sehr in die Höhe, dass es sein Boot aus dem Wasser reißt, es scheint für einen Moment zu schweben. Dann ballt er seine rechte Hand zu einer Faust und schreit seine Freude heraus.

Vermutlich hat Stefan Pfannmöller noch nie so schnell regeneriert. Die Zielsirene ist eben erst ertönt, und ein rund 100 Sekunden langes Ringen mit Wasserpilzen, Walzen und schäumenden Wellen liegt hinter ihm. Der 23-Jährige hat die Statik seines Canadiers fast perfekt gehalten über den 270 Meter langen Kanal, durch den pro Sekunde 18 Kubikmeter Wasser schießen. Das Wasser ist höllisch laut, das schwere Keuchen des Athleten nicht zu hören. Doch das Heben und Senkens seines Brustkorbs, der den Umfang einer Eiche besitzt, zeigt die Frequenz eines brutalen Stakkatos. Denn der Kurs ist hart, er saugt die Energie aus dem Oberkörper, der Bizeps brennt, der Atem geht schwer.

Aber als er die Eins sieht, weiß Pfannmöller: Er ist, da ihm mit dem Franzosen Estanguet und dem Slowaken Martikan nur noch zwei Konkurrenten folgen, mindestens Dritter. Die erste deutsche Einzelmedaille im Canadier seit 1972, als der Kanuslalom von Augsburg erstmals olympisch war, gehört ihm. Am Ende leuchtet sie in Bronze.

Ein paar Minuten später hat er wieder Luft, das Rennen zu analysieren. Ein „perfekter zweiter Lauf“ sei ihm gelungen, befindet er, und darauf ist er stolz angesichts des Gefälles von 2,1 Prozent und der Wildwasserkraft des Kanals. „Stark versetzte Tore, brutaler Krafteinsatz, Aufwärtstore an schwierigen Stellen“, erklärt Pfannmöller die Tücken. „Das ist die schwerste Strecke der Welt“, bestätigt Canadier-Bundestrainer Jürgen Köhler, „sehr selektiv“, auch weil sie von Meerwasser gespeist werde. Deswegen sei die Oberfläche, sagt Köhler, „wie Milch, man kann die Strömung nicht erkennen“. Noch dazu verursacht die Gischt innerhalb weniger Sekunden brennende Augen. Darüber haben sich einige Kollegen Pfannmöllers echauffiert, er jedoch findet das nicht so gravierend: „Das macht die Nase frei.“

Er kann darüber lachen, wo sich der Einsatz bei ihm ausgezahlt hat. „Ich habe das ganze Jahr nur auf diesen Tag hingearbeitet.“ Noch dazu ist er der Jüngste auf dem Treppchen, „so viel zu den Perspektiven“, sagt Pfannmöller. „Zielstrebig und selbstbewusst“ sei er sowieso, sagt der Trainer. Und nervenstark.

Ganz im Gegensatz zu den beiden hoch gewetteten Starterinnen im Kajak-Wettbewerb, Vize-Weltmeisterin Jennifer Bongardt aus Köln und Weltcup-Zweite Mandy Planert aus Leipzig. Die Vorlaufschnellste Bongardt, 21, hatte nach dem Halbfinale noch den dritten Platz belegt – fuhr aber im Finaldurchgang an einem Tor vorbei und fiel zurück auf Platz 9. Schluchzend verweigerte sie hinterher Interviews. „Das muss sie noch lernen, aber Jenny ist ja noch ein kleines Mädchen“, entschuldigte sie Kajak-Bundestrainer Mirco Kümper. Die erfahrene Planert war bereits im Halbfinale gescheitert, vor Tor 16 war sie in einer riesigen Walze stecken geblieben. Die Walze, das ist der Schlusspunkt eines kleinen Wasserfalls, den die Kanuten mit Schwung durchfahren müssen, andernfalls braucht es unmenschliche Kraft und viel Zeit, dort wieder herauszupaddeln. Planert verlor danach völlig den Rhythmus.

Für den Slalomsport war der gestrige Wettkampftag hingegen mehr als erfreulich: Rund 8.000 Zuschauer säumten die Strecke, gebaut auf dem alten Athener Flughafen, und veranstalteten eine Party wie in einer dicht besetzten Arena. „Das ist die Zukunft“, sagt Bundestrainer Köhler, „nur zu teuer.“ Von 40 Millionen Euro ist die Rede. Investitionen, die sich diese Randsportart nicht ewig wird leisten können.