piwik no script img

Medizinische InitiativeMit dem Bus gegen Brustkrebs

In mobilen Labors und neuen medizinischen Zentren wollen Ärzte bei über 50-jährigen Frauen Tumore in der Brust früher erkennen. Das erhöhe ihre Heilungschancen erheblich.

Ärzte in Jena bereiten eine MR-Mammographie vor Bild: dpa

BERLIN taz Das Vorhaben soll Frauen vor Leid und Tod bewahren. Bundesweit soll es helfen, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen. Diese Woche startete das Programm zum Mammografie-Screening in Brandenburg. Ende März soll es in Hamburg beginnen. Dann wird ein lang diskutiertes Vorhaben überall im Land eingeführt sein.

2002 entschied der Bundestag, ein Programm zur Früherkennung von Brustkrebs einzuführen. Kern der Untersuchung ist eine Mammografie. Bei diesem Verfahren wird die Brust geröntgt, um Veränderungen im Gewebe auszumachen. Alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren werden schriftlich eingeladen, an der Früherkennung teilzunehmen. "Wenn ein Tumor erkannt wird, der weniger als einen Zentimeter groß ist, liegen die Heilungschancen bei 95 Prozent", argumentiert Barbara Marnach von der Kooperationsgemeinschaft Mammografie. Die Untersuchung selbst führen spezialisierte Zentren durch - oder auch die "Mamma-Mobile" auf Rädern, die in ländlichen Regionen unterwegs sind. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen. "Vormals bezahlten die Kassen Mammografien nur, wenn ein konkreter Verdacht vorlag oder eine Frau erblich vorbelastet war", sagt Marnach. "Das ist jetzt anders."

Bislang gilt Deutschland nicht gerade als Vorreiter beim Bekämpfen von Brustkrebs. Das neue Programm soll zumindest einen häufig kritisierten Missstand mindern: Dass viele Mammografien keine verlässlichen Ergebnisse liefern, weil sie von Ärzten ausgeführt werden, denen es an der nötigen Routine mangelt.

Genau an diesem Punkt setzt das Programm an. Seine Idee: Nur Ärzte, die wirklich erfahren sind, sollen Mammografien durchführen. Die Ärzte, die an dem Programm teilnehmen, müssen mindestens 5.000 Bilder pro Jahr auswerten. Dies entspricht einem EU-Richtwert. "Für diese Technik braucht es ein sehr geschultes Auge", sagt Marnach. Dass eine Mammografie Frauen einer Strahlenbelastung aussetzt, halten die Organisatoren für vertretbar: Die Gefahr, durch die Untersuchung Krebs hervorzurufen, sei geringer als das Risiko, einen Tumor nicht oder zu spät zu entdecken, schreiben sie auf ihrer Internetseite.

Die Mammografie wird jeweils von zwei Fachärzten beurteilt. So hofft man, die Zahl der Fehldiagnosen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Tumore rechtzeitig zu erkennen, ohne mit falschen Alarmen Frauen zu ängstigen - das ist auch mit der heutigen Technik schwer. Längst nicht jeder Tumor wird mittels Mammografie auch wirklich erkannt. Je dichter das Brustgewebe der Frau, desto weniger aussagekräftig sind die Aufnahmen. Dies ist auch ein Grund, warum das Programm sich bislang nicht an Frauen unter 50 richtet. "Kosten und Nutzen stehen in keinem adäquaten Verhältnis", sagt Marnach. "Frauen vor den Wechseljahren haben noch ein sehr dichtes Brustgewebe. Außerdem erkranken sie nur selten an Brustkrebs." Auch Frauen ab 70 können das Programm derzeit nicht nutzen.

Die ersten Bundesländer eröffneten 2006 spezialisierte Zentren, im vergangenen Jahr zogen weitere Länder nach. Während Brandenburg und Hamburg noch an der Umsetzung feilen, liegen aus anderen Teilen Deutschlands schon die ersten Erfahrungen vor. Laut Marnach erscheinen rund 55 Prozent der angeschriebenen Frauen auch tatsächlich beim Screening. Die "Mamma-Mobile" werden dabei besser angenommen als die festen Standorte.

Von ihrer Zielmarke sind die Planer des Programms indes noch weit entfernt: Sie hoffen, langfristig 70 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe zu erreichen. "Wir empfehlen den Frauen unbedingt, daran teilzunehmen. Noch nie hatten wir ein so hochwertiges Angebot", schwärmt denn auch Roland Stahl von der kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Einige Fachleute indes mögen in den Lobeskanon nicht einstimmen. Ingrid Mühlhauser, Gesundheitsforscherin an der Universität Hamburg, bezweifelt, dass der Nutzen - das frühe Entdecken von Tumoren - in angemessenem Verhältnis zum möglichen Schaden steht. "Man diagnostiziert ja auch Tumore, die nie zu Problemen geführt hätten." Viele Frauen erhalten unklare Befunde, die sich dann bei späteren Untersuchungen als Fehlalarm entpuppen. "Diese Frauen durchleben ohne Not eine Zeit großer Angst." Laut den Organisatoren des Programms haben etwa 80 Prozent der Frauen, die wegen einer auffälligen Mammografie zu weiteren Untersuchungen eingeladen wurden, dann doch keinen Brustkrebs.

Mühlhauser appelliert, die Frauen umfassender als bisher über solche Nebeneffekte aufzuklären. Vor allem lehnt sie es ab, die Frauen zu einer Untersuchung zu drängen, indem ihnen suggeriert werde, alles andere wäre unverantwortlich. "Nach heutigem Stand des Wissens muss keine Frau ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich gegen die Untersuchung entscheidet", sagt Mühlhauser. Eines immerhin stellt auch die Hamburger Forscherin nicht in Abrede: "Wenn Frauen eine Mammografie machen lassen wollen - dann sind sie bei den neuen Screening-Stellen weit besser aufgehoben als beim ganz normalen Facharzt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • AH
    Antonia Hanne

    Das Foto, das die Vorbereitung einer MR-Mammographie zeigt, hat mit dem Inhalt des gut recherchierten Artikels über das qualitätsgesicherte Mammographie-Screening leider nichts zu tun.

     

    Und zum allgemeinen Verständnis: Im Screening werden auch Tumore entdeckt, die eigentlich Vorstufen von Brustkrebs sind. Sie können recht schnell zu einem bösartigen invasiven und aggressiven Wachstum neigen, jedoch nicht alle. Darauf bezieht sich die sicher berechtigte Kritik der Übertherapie. Doch die Wissenschaft ist noch nicht in der Lage, diese Tumore voneinander zu unterscheiden, und die Frauen entscheiden sich lieber für eine "Übertherapie" also für eine Entfernung der Tumor-Vorstufe. Dass diese Frauen vorher aufgeklärt, informiert und beraten werden, versteht sich von selbst, und auch das ist Bestandteil der Qualitätssicherung im Mammographie-Screening.

  • CW
    Christian Weymayr, krebsvorsorge-aktuell.de

    Ich möchte den sehr ausgewogenen Artikel von Frau Schmitt noch ergänzen: Eine "Heilungschance von 95 Prozent", die Frau Marnach anspricht, kann missverstanden werden, wenn man die Einschränkungen, die im Text erwähnt werden, nicht berücksichtigt. Für eine Frau heißt es im Endeffekt: Sie kann mit Hilfe der Mammographie ihr Risiko, an Brustkrebs zu sterben, nicht um 95%, sondern um 30% senken. Auch der von Frau Mühlhauser erwähnte Schaden, dass Tumore diagnostiziert werden, die nie zu Problemen geführt hätten, lässt sich anhand von Studien konkretisieren: Die Wahrscheinlichkeit, unnötig zur Brustkrebspatientin zu werden, ist mindestens ebenso groß wie durch die Mammographie gerettet zu werden. Dieser erhebliche Schaden durch Überdiagnosen wird jedoch in den offiziellen Merkblättern, die Frauen zur Information erhalten, nicht erwähnt. Frau Mühlhausers unermüdliche Appelle, umfassend aufzuklären, sind noch nicht wirklich angekommen.

  • D
    Dominik

    Gelobt sei was Geld in die Kasse der pharmazeutisch-medizischen Konzerne bringt.

     

    Warum schreibt die TAZ nicht mal darüber, dass gerade bei metastasiertem MammaCa die Überlebenszeit der Patientinnen sich in den vergangenen 20 Jahren um 20% (!) reduziert hat ?

    Vor 20 Jahren wurden Chemotherapien verwendet mit Kosten im 4stelligen Bereich , heute kosten diese regelmäßig 5stellige Summen.

    Und dies bei um 20% verwingerter Lebenserwartung !

    Schreibt doch mal darüber einen Artikel, anstatt Werbung für deutsche Medizintechnik und Pharmafirmen zu machen.