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Medikament gegen AIDS in den USA zugelassen

■ Ob Azidothymidin wirklich hilft, weiß nach nur einem größeren Versuch niemand Heilen kann es AIDS auf keinen Fall / Nebenwirkungen noch unbekannt

Von Oliver Tolmein

Berlin(taz) - In den USA wurde der Wirkstoff Azidothymidin (AZT) vorzeitig für große Feldversuche freigegeben. AZT, das von dem britischen Pharmakonzern Welcome entwickelt worden ist, befindet sich erst seit sechs Monaten im klinischen Test. Es bekämpft auch nicht den AIDS–Virus selbst, sondern eignet sich nach bisherigen Erkenntnissen nur zur Bekämpfung der unter AIDS–Kranken verbreiteten Lungenentzündung: „Das Medikament führt nicht zur Heilung, sondern nur zu einer vorübergehenden Linderung“, warnte ein Sprecher des Gay Mens Health Crisis vor allzu großen Hoffnungen. Die Presse in den USA schrieb dagegen am Freitag, nach Bekanntwerden der Freigabe des AZT, von einer „kleinen medizinischen Sensation“ und einem „ersten Hoffnungsstrahl“. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Bisher wurde nur ein einziger größerer Versuch mit AZT durchgeführt. Von Februar ab wurde eine Gruppe von 282 AIDS–Patienten kontrolliert behandelt: 145 erhielten AZT–Pillen, die anderen wurden mit Placebos versorgt. Während in der ersten Gruppe in den er sten sechs Monaten nur ein Patient starb, starben im zweiten Kollektiv 16 Menschen. Im August wurde der Versuch abgebrochen. Der Welcome Konzern, der auch im Stadium der Feldversuche das Medikament nur kostenlos abgeben kann, hofft darauf, daß in den nächsten drei Monaten AZT auch auf den Markt geworfen und verkauft werden darf. Ulrich Möbius vom pharmakri tischen Arzneitelegramm vermutete, daß das AZT auch in kürzester Zeit in den bundesdeutschen AIDS–Bekämpfungszentren eingesetzt werden wird. Er wies darauf hin, daß auch bereits eine erhebliche Nebenwirkung des neuen Anti–Aids–Wirkstoffes bekanntgeworden ist: er kann Anämien verursachen. In den USA wird diese Nebenwirkungen - und andere die noch nicht bekannt sind - von der Zulassungsbehörde aber in Kauf genommen, weil es überhaupt keine Therapie für die tödlich verlaufende Immunschwäche gibt. Eine ähnliche Regelung, die die Zulassung eines Medikaments trotz weitgehend unbekannter Nebenwirkungen erlaubt, wenn es die einzige Hilfe für sehr schwere Erkrankungen sein kann, existiert auch im bundesdeutschen Arzneimittelrecht.

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