Medienpolitik: Merkel gegen Marktansatz
Beim Medienforum NRW spricht Merkel über Frequenzhandel, Wettbewerb - und Ballerspiele.
KÖLN taz Die Nacht war lang. Bis in den frühen Dienstagmorgen hatte Angela Merkel in der Berliner Koalitionsrunde verhandelt. Über Pflegereform, Mindestlohn, Briefmonopol. Und nur wenig später, punkt zehn Uhr, stand sie schon wieder auf der Bühne. Allerdings sprach beim Medienforum NRW, einem der größten Branchentreffen des Landes, nicht die Bundeskanzlerin Merkel, sondern die EU-Ratspräsidentin. Und rund 300 Medienvertreter lauschten Europa-Merkel in der Kölner Rheinparkhalle. Sie sprach über die EU-Medienpolitik, grenzüberschreitenden Wettbewerb - und Ballerspiele.
Der europäische Wettbewerb ist beim diesjährigen Medienforum eines der dominierenden Themen. Schon am Montag hatte sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gegen eine Deregulierung des Handels mit Rundfunkfrequenzen ausgesprochen: Eine völlige Freigabe des Handels, wie ihn die EU anstrebe, sei falsch. Rundfunk sei mehr als ein Wirtschaftsgut, es sei Kulturgut: "Deshalb muss die Nutzung von Rundfunk-Frequenzen den Ländern überlassen bleiben." Dieser Auffassung schloss sich Merkel gestern an: "Ein reiner Marktansatz ist nicht zielführend." Die Bundesregierung werde somit darauf achten, "dass wir einen nationalen Gestaltungsspielraum bewahren".
Die umstrittene Einigung der EU-Staaten auf eine neue Fernseh-Richtlinie nannte Merkel einen "großen Schritt". Es sei gelungen, einen hohen Standard im Jugendschutz und in der Gewährleistung der Medienfreiheit zu etablieren. Und selbst die vieldiskutierte Finanzierung von Sendungen durch Product Placement, die nun in Ausnahmefällen gebilligt wird, ist in Merkels Augen "ein akzeptabler Kompromiss", zumal Kinder- und Nachrichtensendungen tabu seien. Laut Merkel könnten die öffentlich-rechtlichen Sender "mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie von den Ausnahmeregelungen keinen Gebrauch machen". Was ARD und ZDF jedoch schon vorher so angekündigt hatten.
Ein anderer wichtiger Punkt sei, so Merkel, Hör- und Sehgeschädigten den Zugang zu Medien zu erleichtern: "Wir dürfen Menschen mit Behinderungen von der Wissensgesellschaft nicht ausschließen." Den Schutz der Jugend will die Kanzlerin darüber hinaus weiterhin durch Selbstkontrolle erledigen lassen. Der Staat solle nur dann eingreifen, wenn eine Entscheidung dieser Kontrollorgane "offensichtlich falsch" sei. Und dann: die Ballerspiele. Merkel findet viele der angebotenen Computer-Games "unglaublich brutal". Deren Auswirkungen auf die Psyche Jugendlicher sei überdies "hinlänglich bekannt". Jedoch müsse man neben den Gefahren auch die Chancen des Internets erkennen. Spezielle Angebote für Kinder sollen demnach gefördert werden wie etwa die Initiative "Ein Netz für Kinder".
Und ein bisschen Pathos durfte in Merkels so genannter Keynote natürlich auch nicht fehlen. Zunächst dankte die Kanzlerin den anwesenden Medienleuten dafür, dass sie über Europa berichten. Später sprach sie davon, dass die Medien "so etwas wie das Lebenselixier einer demokratischen Gesellschaft" seien. So etwas wie? Nun, auf jeden Fall erhöhe sich mit der steigenden Vielfalt vor allem eins: "die Verantwortung der Medienmacher".
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