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■ MediaBazaarNeues vom TV-Bügeln

Wer, wie der Durchschnittsmichel, täglich zweieinhalb Stunden den Fernseher laufen läßt, hat meist nebenbei noch anderes oder Besseres zu tun. Daß nur 16 Prozent TV pur genießen, alle anderen derweil noch spielen, lesen, essen oder gar Musik hören (!), hat bisher vor allem die Pädagogen gestört, die die abnehmende Konzentrationsfähigkeit ihrer Schützlinge beklagen. Seit einiger Zeit reagiert eine ganz andere Gruppe verschreckt: die Werbekunden.

Analysen des B.A.T.-Freizeit-Forschungsinstituts behaupten nämlich, das Fernsehen werde immer mehr zur Mischung aus Geräuschkulisse und Bügel-Background, vor allem die Werbespots flimmerten an achzig Prozent der Zuschauer vorbei. Schlimmer noch, manche Werbekunden begannen laut zu überlegen, ob sie den Sendern nicht viel zuviel Geld hinblättern. Vielleicht müsse man ja die geheiligten Quoten um einen Aufmerksamkeitsfaktor reduzieren?

Als Retter der von Milliardeneinbußen bedrohten Sender erweist sich wieder einmal die Wissenschaft, in diesem Fall das Institut Markt Media Analysen. Aus seiner Studie lernen wir, daß den „geheimen Verführern“ nicht einmal entgehen kann, wer selber meint, seine Nebenbeschäftigung habe ihn sehr stark vom Fernsehen abgelenkt. Nein, auch dann bleiben die Erinnerungswerte an die vorübergerauschten Spots bei den 1.014 Befragten noch „durchschnittlich“, erfahren wir von Dr. Eva-Maria Hoss.

Zwei Erklärungen für diesen überraschenden Sachverhalt können wir vortragen. Eine bietet uns Frau Dr. Hoss selber an: Anscheinend charakterisieren „Nebenbeschäftigungen ganz bestimmte aktive Bevölkerungsschichten, die offenbar aufnahmefähiger und interessierter sind als ein ,Nur-Fernseher‘, der sich passiv in den Sessel zurücklehnt“. Merke: Der aktive Typ ist auch aktiver beim Kaufen.

Eine andere Erklärung legt ein Blick auf den Auftraggeber der Studie nahe: die Frankfurter ipa- plus, Vermarktungsgesellschaft von RTL. Schließlich hätte niemand soviel an Werbeeinnahmen zu verlieren, sobald die Kunden an die „Tausenderkontaktpreise“ nicht mehr glauben wie Helmut Thoma.Michael Rediske

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