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Medaillen als Studienziel

Das College ist in den USA die Grundlage allen Leistungssports, doch in vielen Universitäten wird wenig Wert darauf gelegt, dass die verdienten Athleten auch einen Abschluss bekommen

aus Yale SEBASTIAN MOLL

Julia Voitowitsch ist ausgesprochen zwiegespalten, wenn man sie auf den amerikanischen Universitätssport anspricht. Einerseits, so die Olympiateilnehmerin im Schwimmen von 1996 aus Frankfurt am Main, habe sie dem System viel zu verdanken. Andererseits sei der College-Sport dafür verantwortlich, dass sie so schnell kein Schwimmbad mehr von innen sehen möchte.

Julia Voitowitsch, in der Ukraine geboren, bekam nach den Spielen von Atlanta ein Stipendium der UCLA in Los Angeles angeboten, einer der erfolgreichsten Sportuniversitäten des Landes. Euphorisch packte sie die Sachen und zog gen Westen: Das war die Gelegenheit, eine hervorragende Universitätsausbildung zu bekommen und sich gleichzeitig unter allerbesten Bedingungen auf Sydney 2000 vorzubereiten. Doch mit dem Stipendium im Wert von rund 35.000 Dollar pro Jahr hatte Voitowitsch die Verpflichtung zur permanenten Leistungsproduktion übernommen. Rund 30 Stunden Training pro Woche wurden gefordert sowie eine deutliche jährliche Steigerung ihrer Bestzeiten. Das Ganze neben beträchtlichen akademischen Anforderungen.

Mit der Qualifikation für Sydney wurde es wegen eines Rippenbruchs nichts, und nach dieser Erfahrung hatte Julia genug. Sie steckte das Schwimmen auf. Gottlob hatte sie sich in drei Jahren ausreichend um die Universitätsmannschaft verdient gemacht – das Stipendium wurde die letzten zwei Semester bis zu ihrem Abschluss verlängert.

Ein Abschluss ist unter den Universitätssportlern in den USA jedoch nicht die Regel, insbesondere in den Profisportarten Basketball und Football. An der Universität von Texas, der sportlich erfolgreichsten Universität des Landes, machen gerade einmal 56 Prozent der Sportler ihren Abschluss. Manche werden vorher Profis, viele halten dem Druck und dem Wettbewerb nicht stand. Die Zahlen aus Texas haben in den USA wieder einmal eine breite Diskussion über Sinn und Unsinn des College-Sport-Systems entfacht. Die Colleges sind das Rückgrat des amerikanischen Sports: Sämtliche Sportler der Profiligen kommen aus den Colleges sowie sämtliche Spitzensportler der olympischen Sportarten. Insofern haben die Universitäten de facto den gesellschaftlichen Auftrag der Sportförderung, den in Europa klassischerweise der Staat übernimmt. Dieser verträgt sich jedoch immer weniger mit ihrem Bildungsauftrag.

„Die sind doch nur auf dem Papier Studenten, was die an Kursen machen, ist ein Witz“, sagt Frank Keefe, Schwimmtrainer in Yale. Yale ist eine der traditionsreichen Eliteschulen an der Ostküste und vergibt keine Stipendien für Sportler. „Wir kriegen deshalb nicht immer die größten Talente hierher“, so Keefe. „Dafür liegt die Quote der Studienabbrecher bei uns unter einem Prozent. Wir denken daran, was die Studenten in zehn Jahren machen, nicht, ob sie nächste Woche schnell sind.“

An anderen Schulen ist das nicht so. Und das hat handfeste ökonomische Gründe. College-Sport ist, zumindest was Basketball und Football angeht, Big Business. Wenn die großen Universitäten gegeneinander spielen kommen zwischen 60.000 und 100.000 Zuschauer in die Stadien, die Spiele werden live im Fernsehen übertragen. Zusätzlich zu dem Geld aus TV-Rechten haben die Teams potente Sponsoren-Pools. Die Universität von Minnesota beispielsweise hatte im vergangenen Jahr mit 40 Millionen Dollar das größte Sportbudget des Landes.

Die reichen Eliteschulen im Osten können es sich leisten, als Fels des hehren Amateurismus in der Brandung grassierender Professionalisierung zu verharren. Steven Conn, Sprecher der Sportabteilung in Yale, macht sich aber keine Illusionen darüber, dass das alte humanistische Ideal einer ausgewogenen Ausbildung von Körper und Geist ein Luxus ist: „Bei uns kostet das Studium 38.000 Dollar im Jahr. Natürlich studieren bei uns nur die Wohlsituierten.“ Für die weniger gut Gestellten lohnt es sich hingegen noch immer, auf den Profi-Sport zu setzen. Der Wettbewerb mag hart sein, aber die Aussicht, auf diesem Weg überhaupt auf ein College zu kommen und so den sozialen Aufstieg zu schaffen, ist nach wie vor sehr reell.

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