Mayakultur in Guatemala: Tikal ist nicht alles

Dieter Richter lebt seit 12 Jahren im Dschungel. Er führt Touristen zu den Resten der Mayakultur.

Seit dem frühen 9.Jahrhundert weniger bedeutsam: Mayastadt Tikal Bild: Sarah Corr/sxc

Flores ist – selbst für guatemaltekische Verhältnisse – ein ziemlich abgelegenes Nest. Auf Deutsch übersetzt heißt es „Blumen“. Die dichtbebaute, einen halben Kilometer große Insel im Petén-Itzá- See wäre für Touristen wohl kaum ein Anlaufpunkt, wären nicht die Mayaruinen von Tikal in der Nähe. Es gibt ein paar Andenkenläden, in den Cafés dösen die Wirte vor sich hin, und die wenigen Boote, die Touren zum Zoo oder zur Nachbarinsel offerieren, haben es schwer, Kundschaft zu bekommen.

Das Café Arqueologico Yaxha, bietet jedoch mehr als nur Speis und Trank für ausgepowerte Touristen. Wer sich für die Mayakultur interessiert, der findet hier ein echtes Kleinod, das in gängigen Reiseführern nicht erwähnt ist. Nicht einmal Reiseveranstalter wissen von den spektakulären Touren, die der deutsche Architekt Dieter Richter hier anbietet. Und doch ist Richter dabei, eine kleine Revolution in der Geschichtsschreibung der Mayakultur anzuzetteln.

Angefangen hat Richters Begeisterung für Mittelamerika im Bezirk El Petén, bei seinem ersten Besuch der Mayastätte Tikal. „Die Mayaarchitektur ist in vielen Aspekten faszinierend“, sagt Richter, „obwohl bei der Restaurierung häufig nicht alles so läuft, wie es eigentlich sollte.“ Der große Turm in der berühmten Stätte Palenque sei von nordamerikanischen Rekonstrukteuren in seiner Höhe und Form beispielsweise frei erfunden.

Richter deutet auf Kopien alter Dokumente, die er an die Wände gepinnt hat. „Der dürfte ganz anders ausgesehen haben. Die Zeichnungen und Fotos der ersten Abenteurer zeigen das Observatorium schon in zerstörtem Zustand.“ Es ist nicht bekannt, wie der Turm aussah.

Auf amerikanische Archäologenteams ist Richter nicht gut zu sprechen. Die seien meist nur auf schnelle Effekte aus und würden nicht so vorsichtig graben wie die deutschen. Und wen nein Teil einer Ruine fehle, würde der eben mit viel Kreativität „nachgebaut“, das Ergebnis muss dann nicht unbedingt viel mit dem Original zu tun haben.

Geschwisterpaar Bild: NC/sxc

In mexikanischen Playa del Carmen, vor 20 Jahren ein verschlafenes Fischerdorf auf der Halbinsel Yucatán, eröffnete Richter eine Spanischschule. Die lief zunächst mehr schlecht als recht, ist heute aber die zweitgrößte der gesamten Region.

Richter zog es indes nach Guatemala, wo noch spannendere Ausgrabungsprojekte als in Mexiko im Gange sind, besonders im Triangulo Cultural, wo er 1995 als Architekturstudent ein Praktikum machte. Im „kulturellen Dreieck“ ging es um die damals größte Erschließung von im Dschungel verborgenen Mayaruinen. Gleichzeitig sollte bei den Arbeiten der tropische Regenwald geschützt werden. Mit seiner Freundin, einer gebürtigen Chapina – so nennen sich die Guatemalteken selbst -, eröffnete er vor fünf Jahren in Flores das Café Arqueologico Yaxha.

Richtig in seinem Element ist Richter bei seinen „Diavorträgen“ zur Mayakultur mit Beamer und modernster Überblendtechnik. Dort erfahren die meist erstaunten Besucher, dass die sagenhaften, mit Moos überwucherten Tempel im Urwald von Tikal gar keine originalen Bauten, sondern lediglich Rekonstruktionen sind. In den meisten Fällen waren die Fassaden der eindrucksvollen Pyramiden längst weggebrochen. Der Einfluss des Klimas und die Kraft des Regenwaldes hinterließen über die Jahrhunderte ihre Spuren. Zudem waren die Tempel zu Zeiten der Maya mit Stuck überzogen und farbenprächtig angemalt – innen wie außen.

Viel spannender als Tikal ist jedoch die Tour, die Richter zu den neuen Ausgrabungsstätten von La Blanca und Yaxha organisiert. Dort arbeiten Archäologen und Architekten an neuen Ausgrabungen. Mit den Touren verfolgt Richter mehrere Zwecke: Zum einen erhalten die Archäologen ein direktes Feedback der Besucher, zum anderen beugt man mit den Führungen der Grabräuberei vor. „Das ist immer noch ein Riesenproblem in Guatemala“, erzählt Richter.

Ein düsteres Kapitel sind die Fördermittel für die Ausgrabungen, die seit einiger Zeit nicht mehr aus Deutschland kommen. Richter: „Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau fördert Projekte immer nur über einen bestimmten Zeitraum.“ Der sei jetzt abgelaufen. Eingesprungen seien amerikanische Firmen. Die hätten kurzerhand die Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen als ihre eigenen deklariert. Firmen wollen auch Gewinn machen, und deshalb laufe nicht alles so, wie es Archäologen und Umweltschützer gerne hätten.

Flores liegt auf einer Insel im Petén-Itzá-See Bild: Tbachner

Die Funde bei La Blanca und anderen Stätten, wo kleinere Anlagen ausgegraben werden, deuten laut Richter daraufhin, dass Teile der Mayageschichte neu geschrieben werden müssen: „Bisher ging man davon aus, dass mit dem Untergang der großen Anlagen von Tikal auch die Mayakultur unterging. Das war um das Jahr 900 nach Christus.“

Die neuen Funde kleiner Anlagen wie La Blanca zeigen, dass die Kultur sich veränderte: weg von monumentalen religiösen Stätten wie Tikal zu kleineren Zentren. „Das würde bedeuten, dass das rätselhafte Verschwinden der Mayakultur anders verlief als bisher angenommen und die Mayaperiode bis zirka 1050 andauerte“, meint Richter.

Diese Erkenntnis ist allerdings noch nicht offiziell – auch in dem Buch „Maya-Kultur erleben“, das Richter im Verlag Reise Know-how herausgab, ist das Ende der Mayakultur mit der „Endklassik“ von 800 bis 900 nach Christus angegeben: „Im Laufe nur eines Jahrhunderts bricht die gesamte klassische Kultur der Maya aus heute immer noch nicht geklärten Gründen zusammen“, heißt es dort. Scherbe um Scherbe sind die Archäologen gerade dabei, diesem Geheimnis näherzukommen.

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