Massentierhaltung: Brutal am Hals gepackt

Die Tierschutzvereinigung „Soko Tierschutz“ filmte auf Wiesenhof-Gelände Mitarbeiter beim brutalen Misshandeln von Puten. Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) zeigt sich entsetzt und Werder Bremen rückt von seinem Sponsor ab

Die Fans haben es schon vor dem Verein erkannt: Als Sponsor ist Wiesenhof nicht gerade ein Aushängeschild. Bild: dpa

Auf Putenfarmen bei Cloppenburg, die für Wiesenhof produzieren, sind erneut Tiere misshandelt worden. Die Tierschutzvereinigung „Soko Tierschutz“ hatte heimlich Mitarbeiter dabei gefilmt, wie sie Puten beim Verladen traten und brutal am Hals packten. Das ARD Magazin Report Mainz hatte die Bilder am Dienstag ausgestrahlt.

Wiesenhof kündigte nicht näher umrissene Konsequenzen an, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Ein Mitarbeiter sei bereits im April nach internen Kontrollen entlassen worden.

Die „Soko Tierschutz“ hat bereits Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz gestellt. Diese werde nun zunächst die Zeugen verhören und das Videomaterial auswerten. „Wir müssen sehen, ob auf dem Material jemand erkennbar ist“, sagt Oberstaatsanwalt Roland Herrmann.

Im Januar 2010 war Wiesenhof das erste Mal in die Schlagzeilen geraten. "Report Mainz" deckte schwere Tierschutzverletzungen auf. Die Tierschutzorganisation Peta stellte Strafanzeige.

Im April 2011 wurden dem Hähnchenproduzenten schwere Hygieneverstöße vorgeworfen.

Im August 2011 strahlte die ARD die Fernsehreportage "Das System Wiesenhof" aus und zeigt schwere Tierschutzverletzungen durch Mitarbeiter. Wiesenhof versuchte die Ausstrahlung zu verhindern.

Im März 2012 beschloss McDonalds, vorerst kein Geflügel mehr von Wiesenhof zu beziehen

Im August 2012 wird der Hähnchenproduzent Hauptsponsor von Werder Bremen. Dagegen protestieren die Fans.

Die Verladungsfirma war bereits vor zwei Jahren in die Kritik geraten, als ähnliche Bilder von Tiermisshandlungen auftauchten. Es folgten ein Strafbefehl gegen den Farmleiter und Geldbußen gegen sechs der Mitarbeiter.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) sprach von „einem brutalen und nicht tierschutzgerechten Umgang“, nachdem er die Filmaufnahmen gesehen hatte. Er verweist auf die durch die rot-grüne Landesregierung für 2014 geplante Verstärkung der Staatsanwaltschaft Oldenburg, die für Ermittlungen im Agrarsektor zuständig ist. „Wir wollen gerade in dem Bereich nachgewiesener Verstöße unsere Ermittlungen deutlich verstärken und nicht wegschauen“, erklärt Meyer.

Tierschutz ist ein wichtiger Baustein im rot-grünen Koalitionsvertrag. Als drittes Land will Niedersachsen das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände auf Landesebene einführen. Demnach sollen Tierschutzverbände durch eine sogenannte Feststellungsklage die Möglichkeit bekommen, gegen vermeintliche Tierschutzverletzungen vorgehen zu können.

„Sie können dann zum Beispiel gerichtlich überprüfen lassen, ob das massenhafte Amputieren von Schnäbeln bei Hühnern und Puten mit dem Tierschutz vereinbar ist“, erklärt die Sprecherin des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums Natascha Manski. „Auch die Frage, ob die Käfighaltungen, die wir in Niedersachsen noch haben, verfassungsgemäß sind, könne dann vor Gericht geklärt werden“.

Es ist der zweite Anlauf in Niedersachsen: Bereits im Februar 2009 hatte die grüne Landtagsfraktion einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Niedersächsischen Landtag eingebracht, der jedoch von der Mehrheit abgelehnt wurde. Mit dem Regierungswechsel stehen die Chancen nun gut. „Das Gesetz soll so zügig wie möglich auf den Weg gebracht werden, ein Entwurf befindet sich derzeit in der internen Abstimmung“, sagt Manski.

Im aktuellen Fall hätte das Verbandsklagerecht aber nicht gegriffen, da es sich um Straftaten Einzelner handelt. Um die Puten vor solchen Übergriffen zu schützen, soll künftig zu festgelegten Uhrzeiten verladen werden. Das mache die Kontrollen einfacher, glaubt Manski.

Gar nicht einfach gestaltet sich hingegen derzeit das Verhältnis zwischen Wiesenhof und Werder Bremen. Um das angeschlagene Image aufzupolieren, wurde der Geflügelverarbeiter im vergangenen Jahr neuer Hauptsponsor des Bundesligisten: Viele Bremer Fußball-Fans sind deswegen außer sich und kritisieren den Verein, es kam bereits zu Trikot-Boykott und Vereinsaustritten.

Auf Facebook bildete sich eine Fanpage unter dem Namen „Wiesenhof als Werder-Sponsor? NEIN Danke“. Rund 16.800 Menschen klickten „gefällt mir“, seit Anfang der Woche sind knapp 500 neue Unterstützer dazugekommen. Nach dem neuen Skandal sagte Sportdirektor Thomas Eichin: „Das ist weder für Wiesenhof noch für uns schön“ und forderte eine „lückenlose Aufklärung“.

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