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Masquen ohne Masken

■ Herbstakademie eröffnet mit altenglischen Liedern und Tänzen und ganz unverkleidet

„The Masque of Orpheus, Tänze und Lieder von Robert Johnson (ca. 1583 - 1633) und William Laws (1602 - 1654) in Form ei

nes Maskenspiels.“ So war, Ungewöhnliches verheißend, für Sonntag das Eröffnungskonzert der Internationalen Herbstakade

mie angekündigt. Wer weiß schon, was eine „Masque“ ist? Ich auch nicht genau. Also machte ich mich auf, gerüstet mit einem dicken Programmheft, und begab mich erwartungsvoll in die obere Rathaushalle.

Ich hoffte auf ein Spektakel mit historischen Masken, gewaltigen Bühneneffekten, prachtvollen Tanzformationen, auf ein in mythologischen Schäfer- oder Satyrthemen verstecktes Intrigenspiel um Liebe und Macht. Ein Blick auf die Bühne weckt erste Zweifel: Alles vollgestellt mit Instrumenten, keine Dekoration, nicht einmal ein Vorhang. Auch sind die MusikerInnen des Ensembles „Tragicomedia“ normal neuzeitlich gekleidet.

Ich hoffte auf ein

Spektakel mit

historischen Masken,

gewaltigen Bühneneffekten

und prachtvollen

Tanzformationen

Ein Sprecher tritt auf. „Aha, jetzt kommt die Presentation“, denke ich. Da werden traditionsgemäß zu Beginn der Masque Inhalt und Verlauf vorgestellt. Aber falsch! Es ist nur Thomas Albert, der die Herbstakademie eröffnet, in wohlgesetzter, immerhin kurzer

Rede.

Letzte Hoffnung: da sitzt, auf reserviertem Platz in der ersten Reihe - lang wie er ist, hätte er sich ruhig etwas weiter hinten neben seinen ebenso langen Senatsrat sitzen können - unser Kultursenator. Ihm? Ihm vielleicht zu Ehren sollen die Huldigungslieder und ehrerbietige Tänze der masque dargeboten werden? Wieder falsch!

Wenn ich dennoch nicht enttäuscht wurde, lag es daran, daß es ein gutes Konzert war. „Tragicomedia“ ist ein Continuo -Ensemble in der Besetzung: Laute, Viola da Gamba und Harfe, nach Bedarf erweitert auf bis zu zehn MusikerInnen. Erstaunlich war die Präzision im Zusammenspiel, auch bei vertrackten metrischen Wechseln, wobei noch berücksichtigt werden muß, daß das Ensemble in dieser Besetzung wohl nicht allzu häufig auftritt.

Grundlage der Gestaltung ist eine fundierte Kenntnis der musikalischen Gestaltung im England des frühen 17. Jahrhundert samt dem damals üblichen gemeinsamen Einfühlen in die Phrasierung. Zu solchen Leistungen sind in der späteren Musik nur fest eingespielte Ensembles fähig.

Das Programm war sehr kurzweilig angelegt, mit geschickten Wechseln zwischen dramatischen und lyrischen Liedern, teilweise sehr witzigen Tänzen oder aber

Kammermusik. Im Vordergrund stand der Tenor John Potter, Mitglied des weltberühmten „Hilliard-Ensembles“. Er machte auch als Solist einen hervorragenden Eindruck. Obwohl einige Lieder sich hörbar im oberen Grenzbereich seiner Stimme bewegten, verlor er nie die natürliche Sicherheit in der Gestaltung. An keiner Stelle versuchte er, mit unangemessenen Verzierungen seine Virtuosität zu zeigen. Die hat er im Hilliard-Ensemble oft unter Beweis gestellt, hier beschied er sich damit, die Aussage der Texte zu interpretieren.

Es bleibt zu kritisieren, daß mit dem Titel „Masque“ falsche Erwartungen geweckt worden sind. Anteil daran hat auch das Programmheft, in dem beispielsweise die „Antimasque“ als grotesk-derber (Gegen-) Teil der Masque beschrieben wird. Zu hören waren aber dann brillant und mit feinem Witz gespielte Tänze, die nicht geeignet waren, als Anti-Masque mit der würdevolleren eigentlichen Masque zu kontrastieren.

Dennoch: dieser Auftakt der Herbstakademie läßt hoffen, das weitere Programm, das in kurzer Zeit zusammengestellt werden mußte, auch. Aus den Fehlern des früheren Musikfestes scheint man gelernt zu haben.

Andreas Lieber

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