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Martina HefterWarum ich nicht tat, worum man mich bat

Den Leitartikel von Daniel Bax mit bestimmten Verfahren dichterisch zu bearbeiten, war mir nicht möglich. Es geht in ihm um Asylpolitik, Brüsseler Kontingentpläne, Idomeni. Bis ich den konkreten Artikel las, war die Vorstellung über so einen Leitartikel für mich zugegebenermaßen eine eher abstrakte, ich dachte im Vorfeld weniger an die Themen, die vielleicht verhandelt werden könnten, als vielmehr an den Strauß aus Möglichkeiten zur Bearbeitung. Mein Plan war, Wortmaterial aus dem (mir da noch unbekannten) Text variierend zu benutzen, d.h. Wörter um- und neu zusammenzustellen - dabei dürften Verben und Adjektive substantiviert, Substantive in Verben verwandelt werden usw., außerdem wäre es erlaubt, in Maßen grob zu schummeln. Also eine Art Anagramm, nur anstelle der einzelnen Buchstaben würden ganze Wörter verwendet. Gern hätte ich anschließend versucht, das Ganze in Sapphische Odenstrophen zu bringen.

Solche und andere Verfahren der Bearbeitung fremder oder eigener Texte führen oft zu schönen, überraschenden und sehr eigenwilligen Ergebnissen - die man ebensowenig komplett kontrolliert, wie ungesteuert aus dem Zufall heraus entstehen lassen kann. Man muss während des Schreibprozesses ständig los- und die unmöglichsten Lösungen zulassen, wie man zugleich die ganze Zeit über steuert, sinnvolle Inhalte auswählt, in bestimmte Richtungen denkt und lenkt. Bei dem Text von Daniel Bax befürchtete ich - angesichts des Themas - eine Tendenz zu sinnvollen, mitteilsamen, kritisch sprechenden Lösungen hin. Diese wären aber nur dadurch entstanden, weil mir ein Zulassen eigenwilliger, sinnloser (vielleicht komischer, kauziger) Lösungen bei diesem Thema als unangemessen erscheint. Unterdrückte ich diesen unkontrollierbaren Anteil aber, hätte ich für mich selbst das Gefühl, innerhalb des gewählten Verfahrens als Künstlerin nicht gut (durchaus auch im Sinn von “technisch nicht gut”) zu arbeiten. Deswegen habe ich auf die Bearbeitung des Leitartikels verzichtet - dafür aber hiermit eine Methode lyrischer Umformung etwas näher vorgestellt.

Martina Hefter, *1965 in Pfronten, Allgäu, lebt in Leipzig. Letzte Veröffentlichung: „Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch“ (kookbooks 2013).

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