"Markus Lanz"-Talkshow: Karikatur einer Sendung
Der Mohammed-Cartoonist Kurt Westergaard wurde vom ZDF aus einer Talkshow ausgeladen. Wenn es um den Islam geht, übt sich der Westen allzu leicht in Selbstzensur.
Zu erzählen hat er genug, Kurt Westergaard könnte mit seinen Erlebnissen viele Zuschauer unterhalten. Und eigentlich sollte der Karikaturist genau das machen. Ein wenig darüber plaudern, wie es sich anfühlt, ständig Morddrohungen zu erhalten und sich verstecken zu müssen. Wie es ist, von der eigenen Zeitung zwangspensioniert zu werden, weil man ein zu großes Sicherheitsrisiko darstellt, und ein Hassobjekt muslimischer Fundamentalisten zu sein. Aber kurz vor seinem geplanten Auftritt bei der "Markus Lanz"-Talkshow im ZDF am Dienstagabend wurde er wieder ausgeladen.
"Dies war eine redaktionelle Entscheidung. Der Vorschlag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass eine Unterhaltungs-Talkshow keine geeignete Plattform für eine Auseinandersetzung mit dem Thema ist", heißt es in einer Stellungnahme des Senders. Zur Absage seines Auftritts erklärte der 75-Jährige, das ZDF habe ihm keine Gründe genannt: "Aber natürlich hat das was mit der Sicherheit zu tun", sagt Westergaard und schiebt hinterher: "Ich hätte nicht gedacht, dass ein so großer Sender einknickt und Selbstzensur übt."
Vorauseilender Gehorsam und Selbstzensur? Auf diese Vorwürfe antwortet Jörg Berendsmeier von der ZDF-Pressestelle knapp mit "Schmarrn!"
Glaubwürdig erscheint die Begründung des Senders nicht. Denn seit wann ist die Bedrohung der Meinungsfreiheit kein Thema für eine Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen? Und ist es nicht die Pflicht eines jeden Journalisten, sich möglichst viele Stellungnahmen anzuhören? Kurt Westergaard fürchtet sich nicht, seine Meinung zu sagen. Er fällt gern aus dem Rahmen, und allein schon deswegen ist er der ideale Gast für eine Sendung. Talkshows sind so etwas wie Seismografen für das, was die Menschen beschäftigt, empört, belustigt - und der Islam ist ein verlässlich aufregendes Dauerthema.
Also, welche Logik steht hinter der Stellungnahme des Senders? Es ist die absurde Logik der Angst. Der Galerist Erik Guldager, der eigentlich als Westergaards Begleiter vorgesehen war, sagte, ihm sei von einem ZDF-Mitarbeiter erklärt worden, dass man nicht für die Sicherheit Kurt Westergaards garantieren könne und um das Leben eigener Mitarbeiter fürchte. Es sind bemerkenswerte Ereignisse, die zeigen, welche übertriebenen Selbstkontrollen in der Gesellschaft mittlerweile aus Angst ausgeübt werden: 2009 geriet der Fußballclub Schalke 04 in die Kritik von Islamisten, weil im Vereinslied der Prophet Mohammed verhöhnt werde. Der Text wurde daraufhin von einem Wissenschaftler überprüft und als ungefährlich eingestuft. Manche Fälle wirken noch grotesker: So empfahlen Staatsschützer in Hagen 2003 einer Frau, ihr Pferd "Mohammed" umzubenennen. Das tat die eingeschüchterte Frau dann und taufte das Tier "Momi". Ohne h, um dem Namen des Propheten möglichst fernzubleiben. Bei all diesen Fällen gab es im Vorfeld keine oder kaum Drohungen. Die Selbstzensur folgte trotzdem auf dem Fuße.
Westergaards Geschichte begann 2005. Damals veröffentlichte die Jyllands Posten zwölf Mohammed-Karikaturen, darunter eine Zeichnung von Kurt Westergaard, die den islamischen Propheten mit einem Turban in Form einer Bombe zeigt. Es folgte eine Welle des Protests in arabischen Ländern, Botschaften, Flaggen wurden angezündet, Menschen kamen bei Demonstrationen um.
Wer einmal in das Räderwerk der öffentlichen Aufmerksamkeit gerät, kommt schwer wieder heraus - und der Zwangspensionär wird wohl nie wieder den Weg zurückfinden. Erst Anfang Januar war er in seinem Haus nur knapp einem Mordanschlag durch einen somalischen Islamisten entgangen.
Im Spiegel klagte er darüber, dass die dänischen Intellektuellen ihn alleingelassen haben. Die seien damit beschäftigt, "Kaffee zu trinken und ihren Kulturrelativismus" zu pflegen. Im deutschen Fernsehen wird er nun auch nicht gehört.
Schade, denn die Sendung hätte halbwegs spannend werden können. Ansonsten sitzen eher Dampfplauderer und Verbalnarzissten bei Lanz, die inhaltsarme Geschichten erzählen. Gestern laberten dort Andrea Kiewel (die einst wegen Schleichwerbung vom ZDF gefeuert wurde), die Polizisten Torsten Heim und Thomas Weinkauf alias Toto & Harry und die Expertin für Kindersicherheit, Dr. Stefanie Märzheuser, herum.
So gesehen kann Kurt Westergaard vielleicht sogar dankbar sein, dass er gestern nicht dabei sein musste.
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