: Marktvernunftmaschinerie
betr.: „Die Vernunft des Preises“ von Carl Christian von Weizsäcker, taz vom 18. 7. 08
Ein interessanter Beitrag aus einer der interessantesten Familien hierzulande. In diesem Plädoyer für die ungehinderte Diktatur des Marktes wird tatsächlich immer noch davon ausgegangen, dass die technische Anpassungsfähigkeit des Menschen über die Rohstoffknappheit triumphiert, und dass staatliche Eingriffe diese Dynamik nur bremsen. Beispiel Uranwirtschaft: Wenn erst die alternativen fossilen Energieträger teuer genug sind, wird es sich sogar lohnen, die „unerschöpflichen“ Uranvorräte aus dem Meer zu filtern, und die Atomkraftwerke können bis ultimo weiterlaufen!
Bemerkenswert ist, dass hier nicht weitergedacht (oder -geschrieben) wird: Durch dieselben Marktmechanismen, auf die Herr von Weizsäcker vertraut, werden nämlich alle diese Energieträger abgewirtschaftet haben – durch die Konkurrenz der Wasser-, Wind- und Sonnenenergie, die im Vergleich immer rentabler wird!
Wenn nicht die bemängelten staatlichen Eingriffe die Kernenergie so massiv subventionieren würden, wie es heute der Fall ist, stünde sie schon jetzt nicht so rosig da, dass noch irgendeine Marktvernunftmaschinerie neue Meiler planen würde. Wenn die AKW-Betreiber alle Folgen des Atomwahnsinns selber tragen müssten – Leukämiebehandlung für Kinder im Umfeld der Meiler, Katastrophenhilfe im Fall von Unfällen, Schutzpanzer gegen abstürzende Flugzeuge, Polizeieinsätze zur Sicherung von Atommülltransporten, Entsorgungskosten für die nächsten hunderttausende von Jahren – dann wären sie sowieso schon pleite. (Info: C. C. von Weizsäcker sitzt im Wirtschaftsbeirat der RWE AG.) SABINE MIEHE, Marburg