: Marktreife Ideen
Auf der deGUT werden 16 Gründerchampions ausgezeichnet, je einer aus einem Bundesland.Porträts der fünf ostdeutschen Gewinner, die die Jury mit ihren erfolgreichen Ideen überzeugten
VON RICHARD ROMAN
Ungewöhnlich ist noch eine zurückhaltende Umschreibung für die Gründung des Unternehmens Dacapo Holzbau, die der heute 20-jährige Oliver Enderlein im brandenburgischen Eggersdorf hingelegt hat. Er nahm noch als Schüler an einem Wettbewerb der örtlichen Sparkasse teil und kam der Aufforderung nach, einen Internetauftritt für eine fiktive Firma zu präsentieren. Fleißig programmierte er vor sich hin. Für die Präsentation seiner Internetbude Carporte verlieh ihm die Sparkasse 1999 einen Preis. Oliver war glücklich. Doch in die ganze Geschichte brach die Realität ein, denn alles war fiktiv, nur die Internetadresse www.carporte.de nicht. Plötzlich riefen wildfremde Menschen bei dem Schüler an und wollten einen Carport bestellen. Oliver war’s echt peinlich, doch die Anrufe nahmen kein Ende. Nach seiner Lehre erkannte er das wirtschaftliche Potenzial von Carporten und fing an, eine reale Firma mit ebensolchen Produkten aufzubauen. Heute liefert er mit seinen über 40 Angestellten individuell gefertigte Carportanlagen für bis zu 90 Autos in halb Europa aus. Das Internet spielt immer noch eine große Rolle: 75 Prozent aller Kontakte kommen über das Netz zustande. Seine Unternehmensgründung bezeichnet er als „völlig untypisch“.
Ganz das Gegenteil bei Edith Zimmermann und ihrem Unternehmen IKTZ, das in Jena ansässig ist. Die Gründung erfolgte, nachdem sie mehrere Jahre in den Bereichen Schweißen, Löten und Kleben für namhafte Unternehmen tätig war. Dabei stellte sie fest, dass es fürs professionelle Kleben keine Fachbetriebe gab. Sie nutzte vor drei Jahren die Marktlücke und berät heute Unternehmen, die nicht wissen, wie sie aus rund 250.000 vorhandenen Klebstoffen den richtigen finden sollen. Ihre Kunden kommen aus den Branchen Autos, Kunststoffe, Medizin, Maschinenbau und Optik. „Viele kennen Kleben nur aus dem Haushalt: Wenn’s nicht hält, hat man Pech gehabt. Dabei gibt es für so viele Anwendungen und Bedürfnisse spezielle Kleber, dass diese Technik weit mehr kann als Haushaltsvorstände und selbst professionelle Anwender ahnen.“ Mittlerweile entwickelt IKTZ auch Kleber im Hochtemperaturbereich bis 1.200 Grad Celsius. Blickt sie auf die Unternehmensgründung zurück, fallen ihr als Erstes die Probleme ein, genügend Startkapital aufzubringen. Für die Banken stellte sich die Situation anders dar. „Die wollten mir keinen Kredit geben, weil denen das Volumen zu klein war“, so Zimmermann. Mittlerweile ist sie eine erfahrene Teilnehmerin an Wettbewerben. Sie habe schon an mehreren teilgenommen, ein Ende sei nicht abzusehen, sagt sie. Denn Auszeichnungen würden Neukunden Sicherheit geben und dem Unternehmer die Chance, eine Resonanz von Beratern zu bekommen. Bedauerlich findet Zimmermann es, dass Wettbewerbe für Unternehmen nie mit einem Coaching verbunden sind. Wettbewerbe seien dann noch wesentlich interessanter, so Zimmermann.
Ein weiterer Wettbewerbsprofi ist Sven Lehmann. Er hat es sich mit seinem Unternehmen Tiles Art zur Aufgabe gemacht, künstlerische Installation und Gestaltungen aus Fliesen, Glas und Licht für Unternehmen, Behörden und andere Einrichtungen zu erstellen. Seine Werke leuchten in Entrees und Fluren. Selbst Tiefgaragen hat er schon verschönert. Seine individuell und nach Kundenabsprache gefertigten Installationen vermarktet und verkauft er mit großem Aufwand. „Und das, obwohl ich der Einzige in Deutschland bin, der so etwas macht.“ Dafür habe er schon öfter im Ausland für seine Werke Auftraggeber gefunden. Eine Auszeichnung als Gründerchampion komme ihm daher sehr gelegen, sagt Lehmann, der in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) lebt. Auszeichnungen würden Aufmerksamkeit versprechen und neue Kontakte zu potenziellen Auftraggebern. Wichtiger seien für ihn aber eine Präsenz auf Ausstellungen und Empfehlungen auf Grund schon realisierter Projekte.
Während Tiles Art Exklusivität verspricht, betreibt das Berliner Unternehmen Zanox das genaue Gegenteil: Massengeschäft. Die ausgezeichneten Gründer Thomas Heßler, Heiko Rauch und Jens Hewald, allesamt studierte Informatiker, haben verschiedene Systeme für Online-Marketing entwickelt. Viele Ideen stammen ursprünglich aus dem Mekka des Computers, den USA. Das Ziel ist immer das gleiche. Unabhängige Menschen sollen sich zu Netzwerken und Partnerschaften zusammenschließen. Über eine Million Partnerschaften hat Zanox seit 2000 schon mit entsprechenden Programmen und Routinen angebahnt. Für die innovativen Konzepte der drei Jugendfreunde gab es schon mehrere Preise. Das Unternehmen ist pure New Economy. Davon wollen die Ausgezeichneten aber nichts wissen. Vielleicht deshalb, weil es für Unternehmen aus diesem Bereich nicht gerade typisch ist, von Beginn an profitabel und mit dreistelligen jährlichen Wachstumsraten zu arbeiten. Eine öffentliche Förderung haben die Jungunternehmer kaum gehabt. Immerhin durften sie früher in Berlin-Lichtenberg in einem geförderten Gründerzentrum zu verbilligten Mieten arbeiten.
Computer und Programme sind auch für den 27 Jahre alten Lukasz Gadowski unverzichtbar. Sein Leipziger Unternehmen mit mehreren Filialen und einer Unternehmenstochter in den USA bedruckt so ziemlich alles, was sich nur irgendwie dafür eignet. T-Shirts und Tassen bedrucken auch andere. Doch in vielen Fällen steckt in Wahrheit Gadowski und sein Unternehmen Spreadshirt sowie sein knapp 100 Menschen umfassendes Team dahinter. Es weiß nur keiner. Denn der studierte Betriebswirt Gadowski hat mittlerweile rund 60.000 Partner in ganz Europa, so seine Angaben. Für diese druckt und wirbt er, oft übernimmt er sogar das Schreiben der Rechnung und den Bankeinzug. „Ohne Computer liefe da nichts, denn ich kann meinen Partnern sogar einen kompletten Online-Shop bereitstellen“, sagt der Ausgezeichnete, der besonders die Reputation schätzt, die ein solcher Gründerpreis verleiht. Reputation sei in Deutschland viel wichtiger als in den USA, so seine Erfahrung. In den USA sei eine Unternehmensgründung wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als in Deutschland. Dafür mache man sich vom US-amerikanischen Steuersystem völlig falsche Vorstellungen. Es sei deutlich komplizierter als hierzulande. Das liege daran, dass Unternehmen sehr viele verschiedene Arten von Steuern und Abgaben zu berappen hätten.
In Gardelegen in Sachsen-Anhalt residiert das Unternehmen Eldisy, wo die Unternehmensgründer und Brüder Joachim und Martin Kahl das Zepter führen. Sie stellen seit 2002 Dichtungen für die Autoindustrie her. Das ist nicht ganz zufällig, denn schon die Eltern beschäftigten sich damit. Eine Neugründung war dennoch unumgänglich, weil der elterliche Betrieb in eine Sackgasse geraten war. Ein Sieg als Gründerchampion sei eine gute Werbung, meint Joachim Kahl. „Förderanträge und Wünsche bei Banken könnten so günstig beeinflusst werden.“ Blickt Kahl heute auf sein 200 Mitarbeiter starkes Unternehmen zurück, bleiben Erinnerungen an Situationen, die keine noch so erfolgreiche Wettbewerbsteilnahme hätten verhindern können. „Zu Beginn waren wir ein Spielball mächtiger Abnehmer unserer Produkte. Planungen und Aufträge gingen so schnell kaputt wie sie entstanden.“ Auch die Finanzierung der kapitalintensiven Produktion war nicht einfach. „Am meisten half es uns, gute Partner und Berater an der Seite zu haben. Insbesondere bei den unübersichtlichen EU-Förderprogrammen machen sich Berater sehr schnell bezahlt.“ Und dennoch: Kahl würde den Schritt in die Selbstständigkeit immer wieder wagen, auch wenn ein Manko sicher ist: Den Acht-Stunden-Arbeitstag gibt es für ihn als freier Unternehmer nicht mehr.