Marketing in „Der Lorax“: Platz da, hier kommt Mazda
Die Kinderbuchverfilmung „Der Lorax“, eine hysterisch schrille Zeichentrickunterhaltung, hat in den USA eine Debatte ausgelöst: Wie viel Marketing verträgt ein Film?
Elefant Horton, Kobold Grinch und Waldgeist Lorax: In den USA sind diese Figuren so bekannt wie hierzulande der Pumuckl oder der Räuber Hotzenplotz. Schon seit den 1950er Jahren wachsen Kinder dort mit den gezeichneten und gereimten Kindergeschichten von Dr. Seuss auf.
In Deutschland blieb der 1991 verstorbene Autor, der eigentlich Theodor Seuss Geisel hieß und Sohn deutscher Immigranten war, unbekannt. In den USA aber brechen um die Hollywood-Verfilmungen seiner Bücher regelmäßig geradezu Glaubenskriege aus.
Besonders bissig wurde die Debatte um „Der Lorax“ geführt, die jüngste Dr.-Seuss-Verfilmung, die im März in Amerika anlief. Denn das Kinderbuch birgt eine politische Botschaft, und eine vermeintlich linke noch dazu: Es geht um Umweltschutz und Konsumkritik. Und das in einem Land, das sich seit geraumer Zeit in einem Stellungskrieg der Ideologien verstrickt hat – egal, ob es um globale Erwärmung oder die Gesundheitsreform geht. Während Entertainment Weekly den Film „lebendig und berührend“ fand, ätzte der Kritiker der New York Post: „ ’Der Lorax‘ ist so schrecklich wie eine ansteckende Krankheit.“
Der konservative TV-Journalist Lou Dobbs schäumte auf Fox News, der Film indoktriniere amerikanische Kinder mit sozialistischen Ideen, die Organisation Commercial Free Childhood (CCFC) wiederum startete eine „Save the Lorax!“-Kampagne. Ziemlich viel Aufregung um eine Kinderbuchverfilmung.
Sich für eine gesunde Umwelt einsetzen
„Ich bin der Lorax: Ich sprech für die Bäume, denn die können’s ja nicht.“ So stellt sich der orangebraune Wicht mit dem mächtigen gelben Schnurrbart in dem 1971 erschienenen Buch vor. Darin zerstört der gierige „Einstler“ ein paradiesisches Tal.
Er fällt die bunten „Trüfellabäume“ und stellt daraus „Schnäuche“ her – nutzlose Gegenstände, die die Menschen nicht brauchen, ihm aber dennoch aus den Händen reißen. Der Lorax versucht, das Tal zu retten, und fordert die kleinen Leser am Ende auf, sich selbst für eine gesunde Umwelt einzusetzen: „Denn sonst, das garantier ich dir, wird niemals etwas besser hier.“
Ein düsteres Buch also. Allerdings verwandelte es die Animationsabteilung des Universal-Studios in geradezu hysterisch schrille Zeichentrickunterhaltung. Aus Dr. Seuss’ kantigen Zeichnungen wurden niedliche Computeranimiationen. Seine vorsichtige Farbdramaturgie geht in dem bonbonbunten Film verloren. Und um auf 90 Minuten Laufzeit zu kommen, wurde die Geschichte unnötig aufgebläht. Heraus kam ein rasanter, aber seelenloser Animationsfilm, der seine nachdenkliche Vorlage unter einer Lawine aus guter Laune begräbt.
Trotzdem funktionierte „Der Lorax“ wie alle Dr.-Seuss-Filme vor ihm: Zum US-Start strömten die Zuschauer in die Kinos. Mit einem Einspielergebnis von über 213 Millionen Dollar wurde der Film sogar zu einem der größten Erfolge des ersten Kinohalbjahrs. Das dürfte auch die Werbepartner des Studios gefreut haben, denn den Film begleiteten diverse Marketing-Aktionen.
Ein unnützes Stück Ramsch
Der Lorax warb für Autos, Pfannkuchen, Druckertinte und an die 70 weitere Produkte, Unternehmen und Organisationen. Eigentlich alltäglich für Hollywood – mit dem Unterschied allerdings, dass diesmal ein krasser Widerspruch zwischen Botschaft und kommerzieller Ausschlachtung bestand. Auch deshalb geriet der mediale Streit besonders hitzig und ließ die New York Times schäumen: „Der Film ist ein lautes, unnützes Stück Ramsch, dazu gedacht, wie populäre Kunst zu wirken, in Wahrheit aber allein den Geboten von Marketing und Markenerweiterung folgend.“
In der Tat wirkt der Werbefeldzug angesichts der konsumkritischen Haltung des Buchs geradezu zynisch. Diverse US-Blogs zum Thema Umweltschutz monierten besonders TV-Spots der Automarke Mazda, die ihre neuen SUVs CX-5 mit Unterstützung der Lorax-Figur anpriesen. Obwohl die mit einem Ausstoß von bis zu 155 Gramm CO2 pro Kilometer alles andere als umweltfreundlich sind. Klassisches Greenwashing im Umfeld eines Kinderfilms also. Zwar kaufen Sechsjährige keine Autos. Dass aber deren Eltern mit vor der Leinwand sitzen, wissen auch die Werbestrategen.
Geradezu perfide mutet eine weiterführende Mazda-Kampagne an, von der die Washington Post berichtet. Der Konzern organisierte eine Tour durch Schulen in 20 Städten, bei der Mazda-Vertreter gemeinsam mit einer Lorax-Puppe auftraten und eine Spende von 1.000 Dollar für die Schulbibliothek übergaben. Wenn es den Schülern gelang, ihre Eltern zu einer Probefahrt zu überreden, winkte ein Bonus von 25 Dollar.
Selbst eine dezidiert konsumkritische Haltung vermag eine gut geölte Marketing-Maschine also in ihr Gegenteil zu verkehren. Da möchte man mit dem Lorax ausrufen: „Sir, wozu diese Gier! Niemand kauft diesen Unsinn, das sage ich dir!“ Durchgesetzt hat sich einmal mehr die Antwort des Einstlers: „Du Dummkopf, jetzt hör auf zu schnaufen! Man weiß eben nie, was die Leute so kaufen.“.
„Der Lorax“. Regie: Chris Renaud, Animationsfilm, USA 2012, 89 Min.
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