Marianne Faithfull mit neuem Album in Hamburg : Schwester Morphium
„Ich hätte mit 19 eine Menge gesündere Dinge tun sollen, als ausgerechnet Mick Jaggers Geliebte zu werden“, sagt Marianne Faithfull heute über ihr wildes Leben. Aber das waren die 60er, die Tage, als die Stones Faithfull mit „As Tears Go By“ einen ihrer schönsten Songs schrieben. Die Tage, an denen Faithfull – verwandt mit dem Ritter von Sacher-Masoch und ehemalige Klosterschülerin – nur mit einem Bärenfell bekleidet bei einer Drogenrazzia geschnappt wurde.
Glückliche Tage, die böse endeten: Heroin- und Alkoholsucht und gescheiterte Ehen zerstörten das Leben der Sängerin. Beinahe. In dieser Zeit bedankte sich Faithfull bei den Stones und schrieb ihnen das düsterste Lied: „Sister Morphine“ – eine Hymne an einen der pulsierendsten Mythen im Rock: die Lust an der Selbstzerstörung. Nico, Anita Pallenberg und Faithfull waren damals die schönsten Ikonen am Drogenhimmel.
Erst in 70ern ging es wieder bergauf, mit Jazzplatten, Rock-, Bluesalben und Weill-Kompositionen. Broken English aus dem Jahr 1979 wird zur Initialzündung ihres Comebacks. Damals schrieb Greil Marcus mit zitternder, aufgeregter Feder: „Faithful singt, als wolle sie jede Nadel, jede Junkie-Panik, jede leere Pillendose und jedes verschmutze Zimmer in ihre Stimme zwängen!“
Und auch heute noch kann Faithfull mit fast allen Sängerinnen konkurrieren. Flüstern, Hauchen, kratzendes, heiseres, kraftstrotzendes Singen, dunkle Sprachfetzen – das Ergebnis eines mit tiefen Zügen inhalierten Lebens: „Von einem bestimmten Alter an arbeitet jeder Künstler mit Verletzungen“, sagt Faithfull. Mit ihrem neuen Album Before The Poison ist sie nun auf Tour. Marc Peschke
Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik