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Archiv-Artikel

Margarine fatal

ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf stolpert über Schleichwerbefall: doch keine Vertragsverlängerung

Am Mittwochmachmittag war Schluss für Hagen Boßdorf: In einer Telefonkonferenz einigten sich die Intendantin und die Intendanten der ARD darauf, den Vertrag mit ihrem Sportkoordinator doch nicht zu verlängern. Begründung: Er habe Schleichwerbung begünstigt. Eine Agentur hatte Boßdorf ein Konzept für die Berichterstattung über den von einer Margarinen-Marke gesponserten „Becel Deutschland Walk“ vorgelegt – inklusive der Idee, „markenrelevante Themen im Umfeld des Produkts Becel wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf“ miteinzubauen. Doch Alarmglocken schienen da bei Boßdorf nicht zu läuten. Im Gegenteil: Er reichte das Konzept an den Bayerischen Rundfunk weiter, der es bereitwillig umsetzte. Im September liefen elf jeweils rund zwei Minuten lange Beiträge über den Margarinen-Walk im sogenannten Werberahmeprogramm des Ersten.

Blöd nur, dass es bei der ARD nach dem Schleichwerbeskandal von 2005 nicht nur eine Werberichtlinie gibt, die solche Themenplacements verbietet, sondern auch eine Programmbeobachtungsstelle, die die Einhaltung der Richtlinie überwacht. Eine knappe Woche wurde die Causa Becel intern untersucht, dann fühlten sich auch die Intendanten genötigt zu handeln: Boßdorf, heißt es in ihrer Pressemitteilung, habe im vorliegenden Fall die „notwendige journalistische Professionalität vermissen“ lassen – als wenn die bei Boßdorfs verschwiegenen Stasi-Kontakten und den skandalösen Exklusivverträgen mit Doping-Sünder Jan Ullrich vorher gegeben gewesen wäre.

Aber eine solch krasse Fehlentscheidung wie im aktuellen Fall? Absolut unverständlich – haben Schleichwerbeskandale doch nicht nur die ARD insgesamt, sondern auch Boßdorf persönlich getroffen: wegen nachträglicher Produktionszuschüsse eines Bier- und eines Stromkonzerns für den „Star Biathlon 2005“ stand der 42-Jährige schon einmal in der Kritik.

„Fahrlässigkeit oder Hybris“ hat der Berliner Tagesspiegel bereits als mögliche Begründungen zur Diskussion gestellt. In jedem Fall wird auch das Verhalten von Günter Struve seinen Beitrag geleistet haben: Bislang übte sich der ARD-Programmdirektor in extremem Protektionismus für seinen Sportchef. Zuletzt übernahm er sogar die Verantwortung für die Ullrich-Verträge und holte so Boßdorf aus der Schusslinie. Und die ARD-Intendanten ließen es mit sich machen: noch im September stimmten sie mehrheitlich Vertragsverlängerungen sowohl für Struve als auch für Boßdorf zu.

Allein die Chefin vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Dagmar Reim, stimmte gegen Mentor und Protegé – und ist nun ausgerechnet die, der noch mehr Ärger in Sachen Boßdorf ins Haus steht. Boßdorf könnte nämlich nach Auslauf seines Vertrags bei der Programmdirektion im März 2007 zu seinem Heimatsender zurückkehren – und das ist der RBB. „Falls Herr Boßdorf sich entschließt, von seinem Rückkehrrecht zum RBB Gebrauch zu machen, werden wir uns damit beschäftigen. Aus arbeitsrechtlichen Gründen können wir dazu nicht mehr sagen“, heißt es dazu gewollt steif aus dem Sender. Hannah Pilarczyk