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Archiv-Artikel

Marek-Gruppe verurteilt

Im Prozess gegen die Zuhältergruppe „Die Mareks“ hat das Hamburger Landgericht gestern überwiegend Bewährungsstrafen verhängt

VON PETER MÜLLER

Die Verurteilung ist nicht überraschend, liegt aber weit unter dem von der Justiz anvisierten Ziel. Das Hamburger Landgericht hat gestern den St.Pauli-Kiez-Boss Carsten Marek und neun Führungsleute der so genannten Marek-Gruppe wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels und Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei zu Bewährungsstrafen zwischen 14 Monaten und zwei Jahren verurteilt. Die Gruppe umfasst insgesamt 85 Menschen, die rund 140 Prostituierte in mehreren Bordellen kontrollieren. Der Vorwurf der Bildung einer Kriminellen Vereinigung (§129 StGB) ist fallen gelassen worden. „Der Zusammenschluss ist entstanden, um gemeinsam Geschäfte zu betreiben und zu koordinieren“, sagte der Richter Gerhard Schaberg, „nicht um Straftaten zu begehen.“

Das Gericht habe in dem fast einjährigen Verfahren die Erkenntnis gewinnen müssen, dass „Hamburg ein etwas merkwürdiges Verhältnis zur Prostitution“ habe, sagte Schaberg. Einerseits sei sie „soziale Realität, andererseits wird sie reglementiert“. Das Gericht habe aber nicht über dieses Spannungsfeld und über dieStruktur der Marek-Gruppe, die sich als „Hamburger Jungs“ bezeichnen, zu entscheiden gehabt. „Sie sind Kaufleute, wenn vielleicht auch keine ehrbaren.“

Die Verurteilung erfolge vielmehr wegen des Verstoßes gegen einen „U21“-Paragrafen. Dieser Jugendschutzpassus besagt: Wenn sich eine unter 21-Jährige nach der Volljährigkeit entschließt, in einem Bordell ihren Körper als Dienstleistung zu verkaufen, ist das ihr Recht. Wenn aber eine unter 21-Jährige bei ihrem neuen Freund im Bordell der Sexarbeit nachgeht, selbst wenn sie es freiwillig tut, ist es verboten, wenn sie nicht schon vorher als Prostituierte gearbeitet habe.

Dennoch sei die Marek-Gruppe gezielt nach dem Schema vorgegangen. Frauen unter 21 Jahren in Discos anzubaggern, den Liebhaber zu mimen, irgendwann zuzugeben, Loddel zu sein und sie vor die Alternative zu stellen: „Entweder du fängst an oder ich mach Schluss.“ Das Gericht attestierte den Mareks jedoch, dass beim Anwerben „kein Zwang, Druck oder Schläge angewandt worden“ sind. Und das die Frauen jederzeit wieder aussteigen konnten oder sich sogar in den Steigen „wohl fühlten“.

Nicht gelten lässt das Gericht indes die Einlassung der 22 Verteidiger, dass niemand von diesem Jugendpassus gewusst habe. Wenn die Polizei seit Jahren kontinuierlich in den Bordellen der Mareks ein und aus gegangen sei, Namen und Alter der Frauen registriert habe und nichts zu beanstanden habe, sei der Strafanspruch verwirkt, so die Argumentation der Verteidigung.

Dies sieht das Gericht anders. Es seit ein „vermeidbarer Verbotsirrtum“ gewesen, so Schaberg, es wirke sich nur strafmildernd aus, „dass dies in Kenntnis der Polizei geschehen ist“.

Dass die Justiz überhaupt Einblick in das Milieu bekommen konnte, ist allein auf die Ermittlungen nach § 129 StGB zurückzuführen. Diese Allzweckwaffe ermöglicht es den Ermittlern, Maßnahmen wie die Telefon-Überwachung und den Einsatz von V-Leuten zu ergreifen. Dem Gericht standen fast ausschließlich Telefon-Mitschnitte zur Verfügung – fast alle Frauen haben geschwiegen oder haben für ihre Loddels ausgesagt. Schaberg: „Das eigentliche Übel der Prostitution ist die Zuhälterei.“