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■ Mann des Tages: Der Dickschädel aus dem BaskenlandJavier Clemente (muß nach Hause fahren)

Mit gesenktem Kopf ging der spanische Nationaltrainer Javier Clemente vom Platz. „Jeder Sieg ist schön“, stammelte er nach dem 6:1 gegen Bulgarien. Aber noch nie war ein gewonnenes Spiel der spanischen Nationalmannschaft so schön und zugleich so nutzlos. „Ich bin zutiefst traurig“, gestand Clemente kleinlaut. Keine arroganten, zynischen Sprüche, für die der Coach so bekannt ist. Zu hoch hatte er gepokert, zu tief war der stolze Baske gefallen.

Seit 1992 trainiert Clemente die Nationalmannschaft, seit 1992 macht er, was er will. Da werden Spieler aufgestellt, die in ihrem Club nur auf der Ersatzbank sitzen, große Stars bleiben zu Hause.

So der junge Raúl 1996 bei der EM in England. „Wer noch nie Hunger verspürt hat, rennt nicht richtig“, begründete Clemente seine Entscheidung und schwadronierte einmal mehr über seine Herkunft aus der baskischen Industriestadt Bilbao. Dort, bei Athletic, hat Clemente gelernt. König Fußball müsse auf den Hinterhöfen seinen Nachwuchs suchen, die spanische Liga kranke an zuviel ausländischen Spielern, diagnostizierte er immer dann, wenn die Nationalelf mal wieder versagte.

Zwar durfte Raúl dieses Mal mit nach Frankreich, doch Iván de la Pena, für viele einer der besten Nachwuchsspieler, blieb zu Hause: „Ich mag ihn nicht“, sagte Clemente, und damit war der Fall für ihn erledigt. „Ein ganzer Kerl“, applaudierte seine kleine Fangemeinde jedesmal, wenn Clemente unbeirrt eine seiner umstrittenen Entscheidungen durchzog.

Wer glaubt, jetzt sei Schluß damit, liegt falsch. Kaum ausgeschieden, kam schon die Entscheidung vom Spanischen Fußball-Verband: Clemente bleibt bis zum Vertragsende im Jahr 2000. „Ich bin kein Schaf. Um mit mir fertig zu werden, müssen sie mich schon umbringen“, bedankte sich Clemente für das Vertrauen. Reiner Wandler

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