Manfred Klimek über Wein am Mittag: „Ein Kitt der Gesellschaft“
Der Weinkritiker Manfred Klimek setzt sich für die Rettung des verdrängten Mittagsweins ein. Es ginge dabei um Genuss und Erleichterung, nicht um Rausch.
taz: Herr Klimek, wieso sollte man eigentlich während der Arbeitszeit trinken, es gibt doch nichts zu feiern?
Manfred Klimek: Wer Arbeit als Belastung empfindet, macht das Falsche. Da hilft dann auch kein Mittagswein. Alkohol verschafft eine Erleichterung – in Kombination mit einem Mittagsschläfchen ist das perfekt. Aber wer in Knechtschaft arbeitet, für den ist das natürlich nichts.
Sollte man sich Alkohol nicht lieber für besondere Anlässe aufsparen?
Das ist genau der Fehler. Wir reden hier nicht über harte Alkoholika, es geht nur um Wein. Und der ist vom Alltagsgetränk zum umwölkten Kulturgetränk geworden – sollte aber unbedingt wieder zum Alltag gehören.
Der macht doch ziemlich müde, der Wein am Mittag.
Dann ist es der falsche Wein. Müde macht ein Wein, der zu schwer ist, zu wenig Säure hat und zu viele Tannine. Perfekt sind leichte, gekühlte Rotweine mit maximal 12,5 Prozent und leichte Weißweine zwischen 7,5 und 10 Prozent – ein Riesling zum Beispiel.
Das Interview und weitere interessante Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 25./26. Juni 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Und wie viele Gläser sind noch in Ordnung?
Ich würde sagen, zwei. Es geht ja nicht darum, sich zu betrinken. In der richtigen Dosierung und Stimmung wirkt der Mittagswein anregend.
Wir kennen den Mittagswein eher aus südeuropäischen Ländern. Gab es diese Tradition jemals in Deutschland?
Ja, in Baden-Württemberg, Hessen, Franken, Sachsen und Rheinland-Pfalz war das jahrhundertelang üblich, von der nachnapoleonischen Zeit bis in die sechziger Jahre. Man ging ausgiebig zusammen Mittag essen, bestellte Gänsebraten und eine Flasche Rotwein. Das war Teil der Alltagskultur und völlig normal.
Und was ist seit dem schiefgelaufen? Graduelle Prohibition?
Andere Arbeitsgewohnheiten, Amerikanisierung ist da auch ein Thema. Alkohol ist ein Kitt der Gesellschaft. Wer das prohibiert, muss damit rechnen, dass die Gesellschaft mit anderen Exzessen reagiert. Und wie die aussehen, will ich lieber nicht wissen.
Dieses Interview lesen sie auf der Genuss-Seite der aktuellen Sonntaz.
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