: Man spricht Deutsch und nicht Sorbisch
Überfälle, Pöbeleien, Schmierereien: Im sorbischen Siedlungsgebiet in Sachsen häufen sich Attacken gegen die slawische Minderheit. Die Landesregierung will aber nur Einzelfälle erkennen – und keine sorbenfeindliche Tendenz
BAUTZEN taz ■ Die Schmiererei am alten Buswartehäuschen in Klein-Welka nahe Bautzen ist trotz der frischen weißen Tünche noch erkennbar: „Schluss mit dem Multikulti!“ Gegen die frisch eingekratzten Hakenkreuze half auch keine Farbe. Ja, bestätigt eine ältere deutsche Einwohnerin, die Schmierereien und sorbenfeindlichen Aktionen hätten zugenommen. Einige Wegweiser und Straßenschilder in dieser Gegend des sorbischen Siedlungsgebietes sind auffallend neu. Sorbische Ortsnamen unter den deutschen waren unkenntlich gemacht worden.
„Binnen einer Stunde waren die Hakenkreuze wieder übermalt“, berichtet Axel Arlt, Redakteur bei der sorbischen Abendzeitung Serbske Nowiny, über den Vorfall in Klein-Welka. Seine Erklärung: Die Behörden würden dazu neigen, solche Vorkommnisse schnell zu vertuschen. Eine offizielle Statistik sorbenfeindlicher Aktivitäten gibt es nicht. Ein Grund für den sorbischen PDS-Abgeordneten Heiko Kosel im Sächsischen Landtag, seinerseits nun alle ihm zugetragenen Übergriffe zu erfassen und ins Internet zu stellen. Denn auch nach seinem Eindruck häufen sich antisorbische Vorfälle – die es in geringerem Umfang allerdings zu allen Zeiten gegeben habe.
Die Kosel bekannten Fälle reichen von Aufforderungen auf dem Fußballplatz, endlich Deutsch zu sprechen, bis zu Beschimpfungen Jugendlicher in Diskotheken als „Sorbenschweine“. Das Büro des Europaabgeordneten Sylwester Chruszcz in Bautzen wurde überfallen und verwüstet. Die Kellnerin einer Bautzner Gaststätte berichtete von Pöbeleien und ihrer Angst, allein in sorbischer Tracht zu bedienen. Als sorbenunfreundlichen Akt wertet Kosel auch das Verbot der sorbischen Sprache im Kloster Marienstern von Panschwitz-Kuckau.
Das sächsische Innenministerium bestätigt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Landtagsfraktionsvorsitzenden Antje Hermenau nur vier Fälle in den letzten beiden Jahren. Darunter ein besonders schwerer in einer Gaststätte: Zwei Jugendliche schlugen einen Sorben zusammen und drohten ihm dabei an, die Sorben nach Auschwitz zu bringen und dort zu stapeln. Die 19-monatige Freiheitsstrafe für die Täter wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die Staatsregierung bewertet diese Taten zwar als rechtsextremistisch, geht aber von Einzelfällen aus. Ein Anwachsen der organisierten Szene sei in Ostsachsen ebenso wenig festzustellen wie eine sorbenfeindliche Tendenz, antwortete sie auf eine ähnliche Anfrage des PDS-Abgeordneten Kosel.
Bernhard Ziesch, Geschäftsführer der Sorbenvertretung Domowina, spricht hingegen von einem „zunehmenden Problem“. Man solle es ernst nehmen, aber nicht dramatisieren, denn auch zu DDR-Zeiten seien bisweilen die typischen Wegekreuze im Sorbenland geschändet worden.
Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Brangs, stellte sich schützend vor die Sorben. Aus Sicht der PDS ist es jedoch bezeichnend, dass Brangs von „ausländerfeindlicher Hetze“ sprach, obwohl die Landesverfassung die Sorben ausdrücklich als Teil des Staatsvolks anerkennt.
Die NPD fordert die Streichung dieses Artikels. In den Kerndörfern des sorbischen Siedlungsgebietes schnitten die Rechtsextremen bei der letzten Landtagswahl nur unterdurchschnittlich ab. Zurückgeführt wird das allgemein auf relativ intakte Familienstrukturen, die ein Abdriften Jugendlicher verhindern. In den Randgebieten verzeichnet die Wahlstatistik allerdings überdurchschnittlich gute Ergebnisse der NPD.
MICHAEL BARTSCH