: Man müßte Klavierspielen können
■ Udo Jürgens ließ in der Stadthalle wieder alle Frauenherzen beben
Bei den ganz alten Schlagern hielt die Damen nichts mehr: „Siebzehn Jahr - blondes Haar“, und über hundert Stöckelschuhpaare stürmten zur Bühne; „Merci Cheri“ und zarte Händchen streckten sich in Dutzenden empor zu Udo, der auch tapfer hineingriff und heftig schüttelte, wann immer er zwischen Mikro und Klavier ein paar Sekündchen Zeit dafür hatte. Das Klavier war natürlich die berühmte Sonderanfertigung aus Plexiglas und bedeckt von ca. zwanzig Blumensträußen in Klarsichtfolie, die von aufgeregten Einzelkämpferinnen immer wieder zwischen den Songs an Udo übergeben wurden, und einige Glückliche wurden dann auch tatsächlich mit einem Handkuß belohnt. Ach - das sind so die Momente im Leben!
Nur einmal leistete sich Udo da eine klitzekleine frivole Entglei
sung, indem er einer der Mutigen ein „Oh, das war eine ganz Neckische“ nachschickte, aber ansonsten parierte er souverän den Ansturm weiblicher Gefühle. Ein paar Männer waren natürlich auch zum Konzert gekommen'so etwa im Verhältnis 4:1, die sich entsprechend zurückhielten.
Einige von Udos Tricks waren aber auch ganz schön gerissen: Da schloß sich der Vorhang vor dem Orchester und Udo war plötzlich ganz alleine mit seinem Klavier, und da sagt er doch ganz keck zur vollbesetzten Stadthalle: „So! Jetzt machen wir es uns für ein paar Minuten ganz intim, dieses Lied ist nur für DICH !!!“ - Raffiniert! Oder zu seiner allerletzten Zugabe setzte er sich doch tatsächlich im flauschigen Bademantel ans Klavier und spielte die Lieder kurz an, die ihm von den Verehrerinnen zugerufen wur
den, und die waren nun natürlich völlig aus dem Häuschen so ein Filou!
Für die Männer gab es auch was: Fussball! In drei Wochen geht Udo wieder mit Franzl und der Nationalmannschaft ins Plattenstudio, um die LP zur WM aufzunehmen. Die neue Kickerhymne hat er schon mal im Konzert angetestet: „Wir sind schon auf dem Brenner - wir brennen schon darauf - wir sind schon auf dem Brenner - ja da kommt Freude auf“ - und das klingt genauso schrecklich, wie es sich liest.
Auch wenn ich dem Udo dankbar bin für den einen oder anderen Tip im Umgang mit dem anderen Geschlecht: Diese Bolzfanfare, vor der wir uns im nächsten Jahr wohl kaum retten können werden, ist ein schlimmes akustisches Foul. Willy Tau
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